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Dreierlei fotografische Bühnenkunst

Merkel, Rump, Ginestet -Êdrei große neue Ausstellungen bei Baumgarte

Von Uta Jostwerner
und Bernhard Pierel (Fotos)
Bielefeld (WB). Es ist kein leichtes Unterfangen, einen gemeinsamen Nenner zwischen drei Künstlern zu finden, die jeder für sich Einmaliges schaffen und in Ausdruck und Wirkung völlig gegensätzlich erscheinen. Und doch gibt es eine Verbindung zwischen Florian Merkel, Gerhard Charles Rump und Andrés Ginestet. Im weitesten Sinne kreieren alle drei eine Form von fotografischer Bühnenkunst.

In den Dependencen Obernstraße und Niederwall der Samuelis Baumgarte Galerie ist es aktuell möglich, jene, wenn auch entfernte verwandtschaftlichen Beziehungen nachzuvollziehen.
In vorderster Reihe positioniert Galerist Alexander Baumgarte mit Florian Merkel (45) einen der wichtigsten Gegenwartskünstler Deutschlands. Seine von der Figürlichkeit der Leipziger Schule geprägten Werke erscheinen wie ein Zwitter aus sozialistischem Realismus und amerikanischer Pop-Art. »Doch Merkel ist weitergegangen. Er hat die Pop-Art weiterentwickelt. Zudem wirken seine theatralischen Figuren von den Ballettszenen Edgar Degas' inspiriert«, sagt Baumgarte.
Merkel konzipiert Szenen, die auf den Betrachter vertraut und befremdlich zugleich wirken. Durch sein Vorgehen, einzelne Menschen zu fotografieren und später am Computer zusammenhanglos zusammenzufügen, verursacht der Künstler eine traumähnliche, surreale Atmosphäre. In ihrer Zweidimensionalität, ihrer dramatisierten Gestik und plakativen Farbigkeit erinnern Merkels Arbeiten zudem an Komiks.
Somit verwandelt sich der Realismus der Arbeiten von Florian Merkel in einen Surrealismus. Aus der fotografischen Dokumentation wird zunächst eine Zeichnung, schließlich durch die monochromen Flächen ein auf die Wand, Leinwand oder Plexiglas gedrucktes oder gemaltes Gemälde.
Fotografische Impressionen umspannen das Oeuvre von Gerhard Charles Rump (59). Seine Bildreportagen dienen jedoch niemals allein der Dokumentation, sondern wirken wie eine Inszenierung von Architektur, Landschaft, Akt und Porträt. Dabei manipuliert Rump seine Motive nicht. Allein sein Blick entscheidet und macht aus der scheinbaren Belanglosigkeit seiner Motive subtile Kunstwerke.
Parallel dazu präsentiert die Galerie in den Räumen der Obern-straße Skulpturen und Fotografien des Spaniers Andés Ginestet. Ausgehend von der klassischen Malerei und Bildhauerei versteht Ginestet seine Fotografie als »digitale Bildhauerei«, die Körper und Seele gleichermaßen abzubilden beansprucht. Seine großformatigen Aktfotografien entstehen in Doppelbelichtung in seinem Atelier. Nicht nur transportieren sie eine eigentümliche Mischung aus ästhetischer Anmutung und morbidem Reiz, der Betrachter hat auch das Gefühl, durch die Räume hindurchschreiten zu können.
- Andrés Ginestet: Skulptur und Fotografie, bis zum 6. August, Obernstraße 28. - Florian Merkel (Silbergrube) und Gerhard Charles Rump (Fotografie), Niederwall 10. Eröffnung: Samstag, 8. Juli, 17 Uhr. Bei der Vernissage liest der Schauspieler Michael Roll aus Texten von Florian Merkel.

Artikel vom 08.07.2006