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Witwe muss um Erbe kämpfen

Betreuerin des Ehemannes soll Testamentsänderung veranlasst haben

Von Christian Althoff
Büren (WB). Hat eine gerichtlich bestellte Betreuerin die Geschäftsunfähigkeit eines Bauern ausgenutzt, um dessen Testament zu Ungunsten der Ehefrau ändern zu lassen? »Diese Frage drängt sich mir jedenfalls nach Prüfung der Akten auf«, sagt der auf Familien- und Erbrecht spezialisierte Rechtsanwalt und Notar Bernd Schomburg aus Detmold.
In diesen heißen Tagen besucht Witwe Lilit S. (30) aus Büren jeden Abend das Grab ihres Mannes, zupft verwelkte Blätter ab und gießt die Blumen. »Sonst vertrocknet der Grabschmuck«, sagt sie. Fotos: Althoff
Johannes und Lilit S: Das Foto entstand, als sie ihren Mann noch im Heim besuchen durfte.
Erbrechtsexperte Bernd Schomburg prüft den Fall.

Es geht um den im Januar verstorbenen Landwirt Johannes S. aus Büren (Kreis Paderborn). Das WESTFALEN-BLATT hatte bereits im vergangenen Jahr über ihn berichtet, weil die Ehefrau und andere Verwandte den 65-Jährigen nicht im Pflegeheim besuchen durften - auf Anweisung der Betreuerin.
Der Landwirt hatte 1994 die damals erst 20 Jahre alte Flüchtlingsfrau Lilit S. aus Armenien geheiratet. Als er zwei Jahre später einen Schlaganfall erlitt und in der Folge Schizophrenie mit vermindertem Urteilsvermögen diagnostiziert worden war, hatte das Amtsgericht dem Mann eine Berufsbetreuerin zur Seite gestellt. Sie sollte sich um seine Angelegenheiten kümmern.
Zwischen dieser Betreuerin und der Ehefrau, die sich vergeblich darum bemüht hatte, ihren Mann auf dem ehelichen Hof pflegen zu dürfen, kam es bald zu heftigen Auseinandersetzungen. Sie gipfelten darin, dass die Betreuerin zuletzt überhaupt nicht mehr mitteilte, in welchem Heim sie Johannes S. untergebracht hatte. Auch soll die Betreuerin wiederholt beim Ausländeramt vorgesprochen haben, um gegen eine Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung von Lilit S. Front zu machen. Unterschwellig unterstellte die Betreuerin der jungen Frau, sie habe den Landwirt nur des Geldes wegen geheiratet. Tatsächlich lebte Lilit S. jahrelang von 500 Euro, die ihr die Betreuerin pro Monat bewilligte, und dem Geld, dass sie als Halbtagskraft in einer Fabrik verdient.
Als Johannes S. am 7. Januar starb, war die Ehefrau nicht einmal benachrichtigt worden. Und jetzt das: »Wir haben herausgefunden, dass die Betreuerin bereits 1996 das Testament der Eheleute ändern lassen wollte«, sagt Rechtsanwalt Schomburg. Johannes und Lilit S. hätten nach ihrer Hochzeit ein so genanntes Berliner Testament unterzeichnet, in dem sie sich gegenseitig begünstigt hatten. »1996, als der Landwirt im Pflegeheim lebte, fuhr die Betreuerin mit ihm zu einem Notar, bei dem Johannes S. das Testament widerrief - und das, obwohl seine Geschäfts- und Testierunfähigkeit gutachterlich festgestellt und der Betreuerin bekannt war.« Auch sei die Ehefrau nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, über den Widerruf informiert worden: »Der Notar hat zwar eine Zustellungsurkunde vorgelegt, doch meine Mandantin kann das Schriftstück überhaupt nicht angenommen haben: Ausweislich der Stempel in ihrem Pass war sie nämlich am fraglichen Tag auf der Rückreise von einem Verwandtenbesuch in Russland«, sagt der Erbrechtsexperte. Er geht deshalb davon aus, dass dieses erste Testament weiterhin gültig ist - und nicht jenes, das Johannes S. 2004 wiederum unter Betreuereinfluss zugunsten seines Halbbruders errichtet hatte.
»Auch der Umstand, dass die Betreuerin zweimal im Namen des Landwirtes die Scheidung eingereicht hatte und Johannes S. jedesmal vor Gericht erklärt hat, bei seiner Frau bleiben zu wollen, zeigt, dass es offenbar erhebliche persönliche Animositäten zwischen der Betreuerin und der Ehefrau gegeben hat. Die dürfen aber keinesfalls das Handeln eines Betreuers bestimmen«, sagt Bernd Schomburg.
Er hat beim Amtsgericht Detmold einen Erbschein für die Ehefrau beantragt. »Sobald mir der vorliegt, werde ich die Betreuungsakte einer ganz genauen Prüfung unterziehen«, kündigte der Fachanwalt für Erbrecht an. Denn Johannes S. soll vor der Betreuung noch 60 Hektar Land besessen haben, über den derzeitigen Besitz ist der Witwe nichts bekannt. »Die Betreuerin hat immer wieder Grundstücke verkauft, damit mein Mann seine Betreuung bezahlen konnte«, sagt Lilit S. Und die Betreuung war nicht billig: Obwohl Johannes S. in einem Pflegeheim rund um die Uhr versorgt wurde, hat die Betreuerin ihm beispielsweise für das letzte Quartal 1996 mehr als 8200 Mark in Rechnung gestellt - für Bankbesuche, die Erledigung seiner Post und zahlreiche Telefonate. Auffallend: Allein in dieser Rechnung tauchen neun Telefongespräche mit dem Ausländeramt auf, die die Betreuerin zu einem Stundensatz von 75 Mark abgerechnet hat. Rechtsanwalt Schomburg: »In diesen Gesprächen kann es doch nur um den Aufenthaltsstatus der armenischen Ehefrau gegangen sein. Ich kann mir nur schwerlich vorstellen, dass die Gespräche im Interesse des Ehemanns waren und vom Betreuungsauftrag umfasst wurden.«

Artikel vom 11.07.2006