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Senner Italiener
fürchtet »Rache
der Rentner«

Familie Zanghi fiebert mit den Azzurri

Von Stefanie Westing
und Markus Poch (Fotos)
Senne (WB). Keinen einfachen Stand hat im Moment Kerstin Zanghi in den Reihen ihrer Lieben. Denn Ehemann Salvatore und die drei Kinder, Massimo (14) sowie die zehnjährigen Zwillinge Chiara und Santino, schwimmen total auf der italienischen Fußball-Welle. Kein Wunder, immerhin stammt die Familie des Senners ursprünglich aus Sizilien.

Beim Halbfinale gegen Deutschland wurde Mama Kerstin, die für ihr Heimatland die Daumen drückte, gnadenlos überschrien. Und auch an diesem Sonntag beim Finale gegen Frankreich wird es wieder laut werden bei der Familie Zanghi - dieses Mal wird aber nicht in Senne mitgefiebert, sondern in der Nähe von Ravenna in Italien. Dorthin brach die Familie nach dem zweiten Halbfinale in den Urlaub auf. Allerdings, musste Zanghi feststellen, ist die Stimmung dort längst nicht so gut wie in der deutschen Heimat. Am Freitag erzählte er im Telefongespräch mit dem WESTFALEN-BLATT: »Hier ist alles ziemlich ruhig. Es sind zwar ein paar Fähnchen zu sehen, aber noch nichts von Euphorie zu spüren - das muss bis zum Finale am Sonntag anders werden.«
Salvatore Zanghi, als ehemaliger Spieler unter anderem des VfB Fichte selbst nicht ungeübt am Ball, hat die Weltmeisterschaft hautnah verfolgt - als WM-Tourist. »Ein Freund und ich hatten uns vor vier Jahren überlegt, dass wir dem italienischen Team hinterherreisen wollen, und fingen an zu sparen«, erzählt Zanghi, dessen Familie 1965 nach Senne zog. Der Vater des damals sechsjährigen Salvatore gehörte zur ersten Gastarbeitergeneration in Deutschland und hatte Arbeit bei den Kammerich-Werken gefunden. Salvatore Zanghi arbeitet als Maschinenschlosser - und ging nach dem Halbfinal-Sieg seiner Mannschaft im Trikot der Azzurri zur Arbeit. Der Senner hatte übrigens sogar Karten für das Halbfinale in Dortmund - aber vom Ersparten war nicht mehr viel übrig, und so gab er die 400 Euro teuren Tickets an Freunde weiter.
Auch ohne Halbfinale hat er einige große Spiele live verfolgen können: Italien gegen Ghana, Equador gegen Deutschland, Tschechien gegen Italien, Italien gegen Australien und Brasilien gegen Ghana. »Tolle Stimmung, super Organisation - jedes einzelne Spiel war es wert«, sagt Zanghi. Schade fand er im Halbfinale, dass wirklich eines der Teams am Ende die Koffer packen musste. Obwohl: »Ein bisschen hat es mich gestört, dass sich die Deutschen so sicher waren. Einige Sprüche gingen schon unter die Gürtellinie.« Um sich mit Augenzwinkern zu revanchieren, trug er am Tag nach dem deutschen K.O ein schwarz-rot-goldenes Haarsstück am Gürtel: den deutschen Skalp.
Während für seine Kinder klar ist, dass Italien am Sonntagabend in Berlin triumphiert, hält sich der Papa mit einem Tipp vorsichtig zurück - er fürchtet die »Rache der Rentner« aus Frankreich, wie er scherzhaft sagt. Trotzdem: »Wenn alles gut läuft, gewinnt Italien mit 1:0.« Daran glauben muss er schließlich: »Sonst wäre ich nämlich kein guter Italiener.«

Artikel vom 08.07.2006