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Prof. Dr. Markus Sauer.

Einfache Blutprobe soll
Tumore entlarven

»smart probes« können die Diagnostik revolutionieren


Von Sabine Schulze
Bielefeld (sas). Ein Marker, der in einem frühen Stadium Tumore entlarvt - einfach durch eine Blutprobe? Noch ist das Zukunftsmusik. Nach der Vorstellung von Prof. Dr. Markus Sauer aber nicht mehr lange: Er hat einen solchen Marker entwickelt. In Zusammenarbeit mit der Charité in Berlin will er diesen in einer klinischen Studie testen. Ein entsprechender Antrag an das Wissenschaftsministerium ist gestellt.
Sauer lehrt und forscht an der Universität Bielefeld im Bereich der Laserphysik und Laserspektroskopie. Mit Hilfe sogenannter »smart probes« will er den Kampf gegen Krebs und auch gegen Tuberkulose aufnehmen.
Die »smart probes« sind kleine, im Labor hergestellte DNA-Abschnitte. »Sie haben die Form einer Haarnadelschleife, deren Enden geschlossen sind«, erklärt Sauer. An diese Enden hängt er einen Farbstoff; der leuchtet im Laserlicht, wenn die Enden quasi aufgeknackt werden. Und das wiederum ist der Fall, wenn der DNA-Strang seine Ziel-DNA gefunden hat.
Diese Ziel-DNA ist im Fall der Tumorsuche ein Antikörper für das Protein »p53«. Dieses Protein ist quasi der TÜV der Gene: Es kontrolliert nach der Zellteilung, ob alles funktioniert hat. Anderenfalls erteilt p53 einen »Reparaturauftrag« oder sorgt für den Untergang der fehlerhaften Zelle. Das funktioniert aber nur, so lange p53 selbst nicht geschädigt ist. »Knapp 50 Prozent der Tumore haben ihre Ursache in einer Mutation dieses Proteins«, erläutert Sauer. p53 erfüllt dann seine Aufgabe nicht mehr, es kommt zum unkontrollierten Zellwachstum - eben zum Krebs. Zugleich aber verlängert sich die Lebensdauer des Proteins bei unverminderter Vermehrung. Es wird ins Blut ausgeschwemmt, und der Organismus wehrt sich durch die Bildung von Antikörpern. »Wenn ich diese Antikörper im Blutserum nachweisen kann, hat der Mensch immer p53 im Blut und damit einen Tumor«, sagt Sauer.
Der Nachweis gelingt, indem die Wissenschaftler das Protein nachbauen und mit einem Farbstoff versehen, der leuchtet, wenn er auf Antikörper stößt. Allerdings: Wo diese Krebszellen wachsen, kann Sauer nicht sagen. »Wenn Antikörper nachgewiesen sind, muss man mit den herkömmlichen Verfahren - zum Beispiel einer Mammographie oder dem Röntgen des Bauchraumes - auf die Suche gehen.« Sauers Hoffnung ist, dass in nicht zu ferner Zukunft im Rahmen eines kleinen Blutbildes kontrolliert wird, ob p53-Antikörper im Blut sind.
Nach dem gleichen Prinzip will der Physiker die Tuberkulose-Diagnostik revolutionieren. »Bisher dauert es drei bis sechs Wochen, bis klar ist, ob ein Patient Tuberkulose hat und welcher Bakterienstamm die Krankheit verursacht hat.« Bis dahin schießen die Ärzte quasi blind gegen den möglichen Erreger, um nicht kostbare Zeit zu verlieren. Dadurch aber steigt das Risiko von Resistenzen.
Die Bielefelder Wissenschaftler um Sauer und Kollegen aus Heidelberg haben auch für diesen Fall »smart probes« entwickelt: Kurze, maßgeschneiderte DNA-Stücke, die gezielt auf die einzelnen Bakterienstämme reagieren. »Die Bakterien unterscheiden sich oft nur in ein oder zwei DNA-Basen, aber die machen den Unterschied und entscheiden darüber, ob ein Erreger resistent ist oder auf Antibiotika reagiert«, erklärt Sauer.
Beim Verdacht auf Tuberkulose wird nun der Auswurf des Patienten in einer Schale mit Nährlösung angezüchtet, das Erbgut des pathogenen Bakteriums isoliert und mittels »smart probe«, deren Farbmarker beim Zusammentreffen mit dem »richtigen« Bakterium aufleuchtet, identifiziert. »Wenn die Großindustrie einsteigt, muss es in drei Jahren möglich sein, das Ergebnis innerhalb von drei bis vier Stunden zu haben.«
Weltweit sterben immerhin jedes Jahr drei Millionen Menschen an Tuberkulose. Therapiert wird mittels Antibiotika: in Deutschland stets durch drei Antibiotika, in osteuropäischen Ländern zumeist nur mit einem - dem billigsten. Dort entwickeln sich zunehmend Resistenzen.

Artikel vom 07.07.2006