07.07.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Der Klang zum
»dritten Mann«

Zitherspieler Anton Karas wäre 100

Von Christian Fürst
Wien (dpa). Er war ein bescheidener Heurigen-Musikant. Doch seine eher zufällige Begegnung mit dem britischen Filmregisseur Carol Reed machte ihn über Nacht zum Weltstar.
Anton Karas im Heurigenlokal vor seiner Zither.

Der Wiener Zitherspieler Anton Karas, der heute 100 Jahre alt geworden wäre, schaffte es mit einer einzigen Melodie, zum weltweit meist gespielten Interpreten Österreichs aufzusteigen. Das »Harry-Lime-Thema«, das Karas 1948 für den Film »Der dritte Mann« in London einspielte, wurde ebenso zum Kult wie der Klassiker mit Orson Welles.
»Schätzungsweise 50 Millionen Mal ist der Titel inzwischen weltweit verkauft worden«, berichtet Gerhard Strassgschwandtner, Gründer des vor einigen Monaten in Wien eröffneten »Dritte-Mann-Museums«, der über die umfangreichste Sammlung von Karas-Memorabilia verfügt. Doch um ein Haar wäre der nicht gerade geschäftstüchtige Musiker dabei finanziell leer ausgegangen: »Nach seinem ursprünglichen Vertrag hatte Karas keine weiter gehenden Urheberrechte an dem Stück.«
Doch Regisseur Reed sorgte dafür, dass der Musiker einen Nachvertrag erhielt, der ihm die Rechte an dem Stück sicherte. Danach bereiste der bescheidene Musikant, der sich selbst nie als Komponist verstand, die ganze Welt. Tourneen führten ihn durch Westeuropa, Nordamerika, aber auch nach Argentinien, Australien und bis nach Japan. Karas, dessen Welt bis zu seinem Tod 1985 die Schrammeln, die Wiener Vorstadt und die Heurigen-Kultur blieben, wurde von der britischen Königin Elisabeth II. ebenso empfangen wie von Premier Winston Churchill oder vom Papst.
Karas begeisterte sich schon als Kind für Musik. Die bescheidenen finanziellen Verhältnisse seiner Eltern erlaubten jedoch nur das Erlernen des Zitherspiels in Abendkursen neben seiner Werkzeugschlosser-Lehre. Schon mit 17 wurde er Berufsmusiker und spielte von da an in Heurigen-Lokalen. Doch die Begegnung mit Reed verändert sein ganzes Leben. Reed erkannte, dass wohl kaum ein Stück das Wiener Milieu besser verkörperte als der musikalische Ohrwurm von Anton Karas.
Die Studioeinspielung in London wurde zum Geduldsspiel für alle Beteiligten. Museumsgründer Strassgschwandtner: »Die Aufnahmen dauerten etwa drei Monate, weil Karas eigentlich gar nicht komponieren konnte.« Doch der sensationelle Erfolg des Stücks sollte alles verändern. Schon vor der Premiere des Films waren in den USA 400000 Exemplare der Schallplatte verkauft. Karas, der sein Leben lang Heurigen-Musiker blieb und nie wieder ein auch nur annähernd erfolgreiches Stück schrieb, wurde zum vermögenden Mann. Auf seinen Wunsch begleitete ihn seine Lieblings-Zither ins Grab auf dem Sieveringer Friedhof - bis heute eine Pilgerstätte für Fans aus aller Welt.

Artikel vom 07.07.2006