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Der Schnarcher
ist auf dem
Feld hellwach

Italiens Torwart Gianluigi Buffon

Von Klaus Lükewille
Berlin (WB) Die Saison fing nicht gut an. Dann ging es ganz schlecht weiter. Doch an ihrem Ende, da könnte der italienische Torwart Gianluigi Buffon (28) Fußball-Weltmeister sein.

Der Reihe nach. 28. August 2005: AC Mailands Brasilianer Kaká fiel nach einem Luftduell auf den Juve-Schlussmann. Keine Absicht, ein Betriebsunfall. Mit schmerzlichen Folgen für Buffon. Er kugelte sich die Schulter aus, musste fast ein halbes Jahr pausieren. Und als die Nummer 1 endlich wieder auf dem besten Weg war, Normalform zu erreichen - da kam der nächste Schlag.
Jetzt traf ihn kein Gegner auf dem Platz, sondern ein Staatsanwalt in Rom. Buffon sollte ganz tief drinstecken, mitten im italienischen Schieber-Skandal. Doch der Torwart kann nicht nur Bälle fangen, er wehrte auch alle Vorwürfe ab. Als »Spieler« wurde er trotzdem öffentlich geoutet: Zwei Millionen soll Buffon verzockt haben. »Aber immer legal«, behauptete er.
Das war Marcello Lippi total egal. Was kümmert einen Nationaltrainer das Privat-Vergnügen seines Torwarts? Hauptsache: Der Kerl ist klasse im Kasten. Also nahm er ihn nach dem »Freispruch« selbstverständlich in sein Aufgebot für die WM in Deutschland.
Und nun beginnt der bessere Teil der bis hierher gar nicht so erfreulichen Saison-Geschichte des »Gigi« Buffon. Der Welttorhüter der Jahre 2004 und 2005 könnte auch 2006 diesen Titel verteidigen - wenn Italien den WM-Triumph schaffen sollte. »Er hält überragend«, lobte Lippi den 28-Jährigen, der nicht nur der beste, sondern auch der teuerste Torwart der Welt sein soll: 50 Millionen Euro zahlte Juventus Turin 2001 an den AC Parma. Dort hatte Buffons Karriere 1994 begonnen, schon mit 17 absolvierte er sein erstes Ligaspiel.
Der kleine »Gigi« hatte zwei große Vorbilder. »Ich habe von Kameruns Keeper Thomas N'Kono geschwärmt. Als die Afrikaner bei der WM 1990 in Italien gegen England im Viertelfinale so unglücklich ausgeschieden waren, habe ich geheult.« Da war Buffon gerade 12. Und er kannte und bewunderte zu dieser Zeit natürlich auch die Torwart-Legende seines Landes. So gut wie der große Dino Zoff, so gut wollte er auch einmal werden.
Der gewann 1982 mit Italien den WM-Titel, Buffon könnte Sonntag in Berlin gegen Frankreich seine Nachfolge antreten. Zwei tolle Torwarte, doch zwei völlig unterschiedliche Typen. Während Zoff immer Ruhe ausstrahlte, wirkt Buffon wie aufgeladen. Temperamentvoll, laut, gestikulierend, als stünde er 90 Minuten unter Starkstrom. »Ich kann mich auf meine Nummer 1 hundertprozentig verlassen«, sagt Lippi.
Ein furchtloser Torwart - Stürmer können ihn schon längst nicht mehr schrecken: »Mein gefährlichster Gegner ist der Ball.« Aber eine kleine Schwäche, die hat er doch, die gibt Buffon auch zu. Elfmeter-Schießen mag er gar nicht, seit Juve 2003 bei dieser Entscheidung vom Punkt das Champions-League-Finale gegen den AC Mailand mit 2:3 verloren hat. Als es jetzt im Dortmunder Halbfinale nach einer Stunde noch immer 0:0 stand, da ging Buffon immer wieder durch den Kopf: »Bloß kein Elfmeter-Schießen«. Roberto Grosso und Alessandro Del Piero haben es ihm erspart: »Ich bin beiden sehr dankbar«, erklärte der Schlussmann.
Alena Seredova, ein tschechisches Top-Model, sagte am 22. Juni zu ihrem Verlobten allerdings nicht »Dankeschön«. Denn da hatte Italien die Nationalelf ihres Heimatlandes mit 2:0 aus dem Wettbewerb geschossen. Inzwischen ist wieder Friede im Hause Buffon-Seredova eingekehrt. Alena drückt die Daumen, jetzt muss Ialien auch den Titel holen. Denn sie findet ihren »Gigi« einfach großartig, wenn da nur die nächtlichen Ruhestörungen nicht wären. Buffon soll ein Schnarcher sein - im höheren Dezibilbereich.
Ein lauter Schläfer, der aber auf dem Platz jede Sekunde hellwach ist. Ganz sicher auch am Sonntag um 20 Uhr, wenn in Berlin das Finale gegen Frankreich angepfiffen wird. Und dann soll die Saison-Geschichte des Gianluigi Buffon weltmeisterlich zu Ende gehen.

Artikel vom 08.07.2006