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Achtung »Tokio Hotel«:
632 Meter voller Liebe!

Mädchen rollten ihren Fanbrief auf dem Flugplatz aus

Von Markus Poch (Text und Fotos)
Senne/Herford (WB). Christina Brinkmann, Edith Fissenebert und Nadine Tanz lassen nicht locker. Die drei Mädchen aus Senne und Gadderbaum sind Fans der Magdeburger Band »Tokio Hotel«, wollen die deutschlandweit umschwärmten Teenie-Musiker (»Durch den Monsun«) mit Macht auf sich aufmerksam machen. Ihre Verehrung formulierten und verarbeiteten sie in einem Fanbrief, der aktuell 632,24 Meter lang ist. Um den Jungs von »Tokio Hotel« die Dimension zu verdeutlichen, rollten sie das Kunstwerk jetzt auf der Startbahn des Flugplatzes Windelsbleiche aus.

Bill, Tom, Georg und Gustav heißen die Herzensbrecher aus dem deutschen Osten. Am heutigen Freitagabend, 19 Uhr, stehen sie auf der Herforder Sommerbühne und werden vor 5000 kreischenden Jugendlichen ihre Musikshow abziehen. Christina (14), Edith (15) und Nadine (14) wollen die Gelegenheit nutzen, um ihren Lieblingsstars die zwölf Kilogramm schwere Briefrolle persönlich zu überreichen. Einen ähnlichen Versuch hatten sie bereits am 13. Februar unternommen, als »Tokio Hotel« in der Seidenstickerhalle spielten. Damals, der Fanbrief war gerade »erst« 332,24 Meter lang, hatte das Band-Management den Liebesbeweis der Mädchen abgeschmettert und sie auf später vertröstet (das WESTFALEN-BLATT berichtete). Doch auch dieses Mal in Herford sieht es so aus, als wolle man sie nicht zu ihren Idolen vorlassen.
Aber vielleicht lassen sich die »Hoteliers« ja mit Einfallsreichtum beeindrucken: Immerhin erreichten die drei kreativen Mädchen, dass Flugleiter Carsten Köhne von der Flughafen Bielefeld GmbH den Ernst der Lage erkannte und gestern Morgen tatsächlich die Start- und Landebahn Windelsbleiche für eine Stunde zugunsten der Fanbrief-Aktion absperrte. Der 33-Jährige wunderte sich zwar über die besondere Anfrage, sagte aber spontan zu. »Ich finde es toll, wenn Jugendliche sich für eine Sache engagieren, anstatt irgendwo auf der Straße herumzuhängen und dummes Zeug zu machen«, sagte er. »Deshalb habe ich hier gerne geholfen.«
Christina, Edith und Nadine mobilisierten aber nicht nur die Flughafenleitung, sondern auch ihre Familien und Nachbarn. So waren es insgesamt 20 Personen, die ihnen dabei halfen, das sensible Schriftwerk abzurollen und auf der Piste zu fixieren. Auch Pilot Christoph Müller half mit beim Beschweren der 632 Meter langen Papierfahne. Carsten Köhne und sein Kollege Reinhard Voss organisierten noch schnell einige Extra-Rollen Klebeband aus dem eigenen Fundus.
Geständnisse, Gedichte, Collagen, Beurteilungen, Geschichten und vertrauliche Fotos so weit das Auge reicht - »die drei Mädels sind total durchgeknallt«, sagt Detlef Brinkmann schmunzelnd. Christinas Vater war oft genug Zeuge, wie sie bis spät in die Nacht Meter um Meter an den Fanbrief »anstrickten«. Trotzdem halfen er und seine Frau Marion auf dem Flugplatz emsig mit - im Gegensatz zu vielen Mitschülern und Lehrern der Realschulen in Senne und Bethel, die nur verständnislos die Köpfe schüttelten.
Inspirationen für immer neue Meter liefern regelmäßig das Fernsehen und die einschlägigen Fan-Zeitschriften. »Und je länger unser Brief wird, desto interessanter ist er auch«, sagt Edith. »Irgendwann müssen sie ihn sich ansehen - und wenn er 1,5 Kilometer lang wird!«
Wenn heute um 16 Uhr der Einlass zum ausverkauften Konzert auf dem Herforder Rathausplatz beginnt, sind die drei Mädchen schon sechs bis acht Stunden in der Stadt, um einen guten Platz zu ergattern. Ganz vorne wird der allerdings kaum sein können, denn die ersten »Tokio Hotel«-Fans stehen bereits seit gestern Morgen Schlange. . .

Artikel vom 07.07.2006