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Der Dompteur denkt nur an Berlin

Frankreichs Coach Raymond Domenech hat keine Arbeitsplatz-Garantie


München (WB/klü). Die französischen Zuschauer sangen begeistert ihre Nationalhymne, die Spieler tanzten auf dem Rasen, Willy Sagnol weinte in die Trikolore. Und was machte der Trainer? Raymond Domenech stand am Rasenrand. Er ballte kurz die Fäuste. Einmal die Hände zum Himmel. Eine Umarmung mit seinen Bankgehilfen. Das war's.
Domenech mochte bei der großen Jubelparty nicht mitspielen. »Sicher, wir sind stolz«, sagte er. »Doch unser Ziel ist: Wir wollen auch am 9. Juli erfolgreich sein.« Der WM-Triumph würde dem umstrittenen Trainer endlich Anerkennung bringen, aber seine Popularität wird sich ganz sicher nicht erheblich steigern. Denn der Fußballvordenker Domenech, schon verspottet als der »schlaue Graue«, ist unbeliebt. Bei den Fans - und bei vielen Spielern.
Die meisten klatschte er nach dem 1:0 gegen Portugal nur ab. Wie Zinedine Zidane, der nie mehr sein Freund werden wird. Die demütigende Auswechselung gegen Südkorea hat er nicht vergessen. Domenech eröffnete nach dem Einzug ins Finale noch einmal das Duell: »Es geht am Sonntag nicht um das Abschiedsspiel von Zidane. Es geht um die WM. Zidane hat uns seit zehn Jahren verzaubert.« Immerhin: Da klang wenigstens doch noch ein bisschen Respekt vor einer großen Karriere durch.
Dass der »Dompteur« Domenech und seine Stars trotz aller Differenzen jetzt gemeinsam das Endspiel erreichten, ist bemerkenswert. Aber es ist für den Mann auf der Bank selbst dann keine Arbeitsplatz-Garantie, wenn er den Titel gewinnen würde. Denn die Franzosen wechseln nach der WM gern ihre Trainer. Roger Lemerre wurde 2002 entlassen, als die Mannschaft in der Vorrunde scheiterte. Das ist normal. Aime Jacquet ging 1998 freiwillig - obwohl er die Ć’quipe Tricolore zum Triumph geführt hatte.
Das ist nicht normal. Der Weltmeistermacher saß in München auf der Tribüne, das französische Trikot als Schal um den Hals gebunden. Er beobachtete Domenech und erinnerte sich bestimmt an 1998: Auch Jacquet war damals in der Öffentlichkeit unbeliebt. Aber nie bei seinen Spielern. Die trugen ihn in Paris auf den Schultern vom Platz. Doch da kann Domenech ziemlich sicher sein: So hoch wird er in Berlin nicht aufsteigen. Er könnte viel eher tief fallen. Sogar als Weltmeister.

Artikel vom 07.07.2006