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Ein kleines Land
hat große Erfolge

Trainer Scolari ist stolz auf Portugal

München (WB/klü). Geschlagen, erschöpft, enttäuscht - aber auch mächtig stolz: So räumten die Portugiesen die Arena von München. 0:1 gegen Frankreich verloren, das Finale verpasst. Doch sie fühlten sich alle trotzdem wie Gewinner.

»Ich behaupte: Wir haben den besseren Fußball gespielt. Nur konnten wir leider das entscheidende Tor nicht erzielen. Deshalb muss ich Frankreich gratulieren.«
Luiz Felipe Scolari erwies sich als fairer Verlierer. Und dass seine sagenhafte WM-Serie nach zwölf Siegen zu Ende gegangen war, konnte ihn auch nicht schockieren. Der Brasilianer hatte keine feuchten Augen: »Meine persönliche Enttäuschung dauert ein paar Stunden, dann blicke ich schon wieder nach vorn.« Denn die Portugiesen sind ja nicht ausgeschieden, sondern dürfen und müssen noch einmal an den Ball. Am Samstag in Stuttgart geht es gegen Deutschland um Platz 3, und der VfB-Profi Fernando Meira, der nun doch sein nicht gerade heiß ersehntes Heimspiel bekommt, kündigte an: »Wir wollen diese letzte Partie unbedingt gewinnen.«
Fünf Siege hatten die Portugiesen schon auf dem Konto. Bis Frankreich kam. In diesem Duell zeigten sich - wie schon gegen England - die Stärken, aber gleichzeitig auch die Schwächen der Portugiesen. Sie können spielen, sie können kombinieren, aber sie machen zu wenige Tore. Zwei Zahlen aus München: 59:41. Beim Ballbesitz klar im Vorteil. Aber was nützt die Überlegenheit, wenn sie die Kugel einfach nicht unterbringen?
Pauleta, der Mittelstürmer, traf zwar sofort. Schon nach vier Minuten beim Auftakt am 11. Juni zum 1:0 gegen Angola in Köln - aber danach nie wieder. Cristiano Ronaldo ist ein hochveranlagter Fußballer, aber ebenfalls kein meisterlicher Schütze. Und außerdem ein Solist, der fast jede Aktion allein abschließen will. Er räumte mit Tränen in den Augen den Rasen, dachte dann aber wieder einmal zuerst nur an sich: »Mein Traum ist zu Ende.«
Dass ausgerechnet Kapitän Luis Figo in München die beste Möglichkeit zum 1:1 verpasste, ist für Portugal besonders bitter, rahmt aber das Gesamtbild dieser Mannschaft: viele erstklassige Fußballer, zu wenige Siegertypen. Torwart Ricardo, das ist einer: Der stürmte in der Schlussphase sogar mit. Der Elfmeterheld war beim Strafstoß von Zidane aber machtlos: »Ich hatte die Finger dran, aber der Schuss war zu platziert.«
Einmal getroffen, das reichte den Franzosen. Oben auf der Tribüne saß ein Mann, der früher nicht nur zaubern konnte, sondern auch als Vollstrecker glänzte. Der große Eusébio war traurig: »Schade, hier wäre mehr möglich gewesen.« Trauer muss Portugal aber nicht tragen. Scolaris Schlusswort: »Dass dieses kleine Land bei diesem großen Turnier so weit gekommen ist, darauf können wir sehr, sehr stolz sein.«

Artikel vom 07.07.2006