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Das Bild von 1769, vor dem um Schutz vor Blitzeinschlag gebetet wurd, stammt aus der Kirche St. Johannes Baptist in Brakel.

»Juli heiß - Müh' und Schweiß«

Die Trefferquote bei Prognosen ist so niedrig wie noch vor 200 Jahren

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). »Juli heiß - Müh' und Schweiß«. Diese Bauernregel passt zurzeit bei Außentemperaturen, die die 30 Grad-Marke lässig überspringen. Trotzdem: Bauernregeln seien ebenso verlässlich - oder unzuverlässig - wie die Wetterprognosen von ausgewiesenen Meteorologen wie Kachelmann, Wesp & Co., sagt Dr. Rosa Rosinski, Leiterin des Bauernhaus Museums. Sie hat in mehrjähriger Recherchearbeit gemeinsam mit dem Westfälischen Museumsamt eine Ausstellung zum Wetter zusammengestellt - die erste ihrer Art: »Verhext, gedeutet, erforscht«.

Auf die Idee für die Aufstellung sei sie gekommen, als sie vor inzwischen sechs Jahren im »Landwirtschaftlichen Wochenblatt« 130 kleine Geschichten zum Wetter, zusammengestellt vom Historiker Gisbert Strothdrees, gelesen hatte. Es folgten die Suche nach Kooperationspartnern, Recherchearbeit und »Klinkenputzen« bei Leihgebern der ohnedies raren Exponate. Es sei zudem lange um ein schlüssiges Konzept gerungen worden. Jetzt präsentiert sich das Wetter in Zeitfenstern, in denen die Historikerin jeweils den Glauben inklusive Volks- und Aberglauben, eigene Wetter-Erfahrungen und Bauernregeln und die (wissenschaftliche) Erforschung des Wetters beleuchtet. Rosa Rosinski: »Ich dachte, Glaube und Aberglaube und Wetter seien nur in früheren Jahrhunderten untrennbar miteinander verbunden, aber am Ende der Ausstellung, also heute, gibt es immer noch Wetteramulette, Wetterkerzen, Kreuze, die gegen Unwetter schützen sollen.«
Dass das Wetter immer ein (Gesprächs-)Thema ist, zeigen nicht zuletzt Werbesprüche wie »Alle reden vom Wetter, wir nicht«. Ob die Wettervoraussagen heute so viel genauer sind als vor 100 oder 200 Jahren, bezweifelt Rosa Rosinski. Und auch der viel beschworene »Hundertjährige Kalender« ist in etwa so zuverlässig wie eine Voraussage für »Sechs Richtige« im Lotto. Rosa Rosinski erzählt, ein Mönch habe im frühen 18. Jahrhundert sieben Jahre lang das Wetter beobachtet und seine Beobachtungen aufgezeichnet. Schon beim ersten Druck seien Fehler gemacht worden, durch die unterstellt werde, dass sich Wetterphänomene alle sieben Jahre wiederholen. Die Historikerin: »Aber auch heute noch glauben die Menschen an den Hundertjährigen Kalender, selbst an sich seriöse Wettervorhersagen berufen sich auf ihn.« Überhaupt ist über das Wetter viel geschrieben worden: zum Beispiel die Abhandlung über die Sicherheit von Blitzableitern von 1784, 102 Seiten stark.
Zu sehen sind aber auch so genannte Lorettoglöckchen aus Ton, mit denen man läutend bei Gewitter durchs Haus zog um die »Hexen« zu bannen oder Reliquiendosen, die gegen Unwetter behüten sollten. Als später per Telegraph die Wetterprognose des Tages durchgegeben werden konnte, wurde sie handschriftlich als Anschlag ausgehängt - und die Söhne der Landwirte schrieben sie wiederum ab. Rosa Rosinski: »Da hatten die Bauern bereits Anhaltspunkte.«
Fazit der Historikerin: »Das Wetter ist nicht beeinflussbar, obwohl alles mögliche versucht wurde, und die Trefferquote bei Prognosen ist niedrig.«

Artikel vom 06.07.2006