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Ein Spiel verloren,

Deutschland gibt in den WM-Tagen ein wunderbares

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Auch wenn jetzt nur noch der dritte Platz drin ist - einen Titel kann uns Deutschen niemand mehr nehmen: In den vergangenen Wochen sind wir »Weltmeister der Herzen« geworden. Ist das schon alles? Das ist eine Menge!

Deutschland singt, die Fans und Partygänger schwenken ihre schwarz-rot-goldenen Fahnen, und Krawallmacher bekommen keine Chance. Alles zusammengenommen, ergibt das ein wunderschönes Bild, das mancher Berufsnörgler vor Turnierbeginn eher schwarz in schwarz gemalt hätte. Zum kaum für möglich gehaltenen sportlichen Erfolg der Klinsmannschaft gesellt sich ein ungezwungenes Erlebnis von Gemeinschaft, was gerade im Ausland erstaunt beobachtet wird.
Denn machen wir uns nichts vor: Die Welt erblickt in uns Deutschen ein national verkrampftes Volk und einen recht humorlosen Menschenschlag, kühl bis ins Mark, aber perfekt funktionierend wie eine Maschine. Dieses Zerrbild übrigens, und um nichts anderes handelt es sich ja, hat sich schon lange vor 1933/45 in die Köpfe geschlichen - um so eindrucksvoller finden ausländische Berichterstatter jetzt die fröhlich Feiernden. Und wer in diesen tollen Tagen Reisende aus fremden Ländern fragte, erhielt zumeist die Antwort: Wir kommen wieder, gerne auch mit der ganzen Familie. Willkommen!
Sicherlich mussten wir unser schönes Land zu keiner Zeit vor Touristen verstecken. Der Fußball aber war dann der unmittelbare Anlass, der vielen Menschen aus aller Welt dazu bewog, im Reisebüro ein Deutschland-Ticket zu erwerben. Und die Gastgeber schließlich, letztes Glied in einer soliden Kette, empfingen ihre Gäste geradezu überschwenglich. Da haben wir Deutschen ein Verhalten offenbart, auf das wir mit Fug und Recht stolz sein dürfen.
Dies gilt um so mehr, als umgekehrt ja auch unser Bild vom Ausland und seinen Bewohnern Stereotypen folgt. Wir preisen die Lebensart des Franzosen, wir loben den Amerikaner für sein Demokratieverständnis, wir bewundern die Selbstsicherheit des Briten. Der Franzose? Der Amerikaner? Der Engländer? Na, das sollen sie uns doch erst einmal beweisen, wie verbreitet diese Talente bei ihnen sind! Wir Deutschen dagegen haben gerade erst offen gezeigt, wie locker wir sein können.
Da waren Hunderttausende auf den Straßen, Millionen! Und wer zu Hause vor dem Fernseher sitzen blieb, hat sich mitgefreut!
Sogar die Gabe der Selbstironie ist uns gegeben, Donnerwetter. »Wir sind nur ein Bockwurstlieferant« hallte es trotz des 0:2-Schocks durch Berlins Straßen. Schlagartig mussten die ewigen Bedenkenträger (klar, die sterben nie aus) verstummen, die zuvor ungnädig den Fangesängen über die »Möbellieferanten« aus Ikea-Schweden gelauscht hatten.
Nicht alles ist so ernst gemeint, wie sich der Text anhört. Die Melodie, achtet auf die Melodie! »Yellow Submarine« von den »Beatles«. Na, wenn das kein Zeichen für harmlos gute Laune ist!
Oder: »Berlin, Berlin, wir pfeifen auf Berlin!« Witzig, vor allem wenn's mit unüberhörbar italienischem Akzent skandiert wird.
Und wir müssen ja auch nicht gleich übertreiben. Es gibt da ein paar Leute, die die Dinge zurechtrücken möchten. Die letzten Worte des WM-Slogans »Die Welt zu Gast bei Freunden« auf den Plakaten sollen ersetzt werden - durch die Worte »bei Bekannten«. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt.
Andererseits: überall schwarz-rot-gold. Was hat das nun wieder zu bedeuten? Darüber sind sich

Artikel vom 06.07.2006