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Amok-Opfer (74) will alles vergessen

Schwerverletzter Rentner nach Axt-Angriff im Baumarkt auf dem Weg der Besserung

Von Christian Althoff
Paderborn (WB). Eine Woche nach dem Amoklauf im Paderborner Praktiker-Baumarkt geht es dem ursprünlich lebensgefährlich verletzten Rentner Max S. (74) aus Lichtenau deutlich besser. »Ich habe noch einmal Glück gehabt.«
Das Brüderkrankenhaus St. Josef: Hier wird Amokopfer Max S. seit einer Woche behandelt.
Das Paderborner Brüderkrankenhaus St. Josef. Hier hatten Ärzte am Donnerstag vergangener Woche das Leben des Rentners gerettet, der von einer Axt an Kopf und Rücken getroffen worden war. Inzwischen darf der 74-Jährige schon wieder aufstehen, am Dienstag ist er auch erstmals von einem Kriminalbeamten befragt worden. »Aber ich konnte dem Polizisten kaum etwas sagen. Ich habe den Angreifer ja nicht einmal gesehen. . .«
Max S. war am Tattag gegen 15.10 Uhr mit seiner Frau durch die Gartenabteilung des Baumarktes geschlendert. Etwa zur gleichen Zeit nahm der Amokläufer in der Werkzeugabteilung eine 1,25 Kilogramm schwere Axt mit 70 Zentimeter langem Stiel aus dem Regal. Die Kripo rekonstruierte später, dass der Täter mit der Waffe in der Hand mindestens 100 Meter in dem Baumarkt zurücklegte, bis er von hinten auf das Ehepaar traf. Der erste Schlag erwischte Max S. am Kopf, drang aber nicht durch die Schädeldecke. Da dachte der Rentner noch, aus einem Regal sei etwas auf ihn gestürzt. Doch dann hieb der Amokläufer ein zweites Mal zu und verletzte den alten Mann am Rücken. »Ich versuche, das alles zu vergessen. Ich möchte mich nicht daran erinnern müssen, es regt mich nur auf«, sagt Max S. kopfschüttelnd. Beruhigungsmittel helfen ihm, Abstand zu gewinnen, Schmerztabletten lindern die körperlichen Folgen der Attacke, und schonen muss sich der Patient auch: »Ich soll nicht soviel lesen, weil ich weiterhin Kopfschmerzen habe.«
Auch seiner Ehefrau, die am Krankenbett wacht, ist der Schock anzumerken: »Ich stand ja direkt neben meinem Mann, als es passierte. Das war so fürchterlichÊ- ich gerate jetzt noch in Panik, wenn ich hinter mir ein Geräusch höre!« Das Ehepaar hat inzwischen Kontakt zum Opferhilfeverein »Weißer Ring« aufgenommen. »Wir wollen uns psychologisch betreuen lassen«, sagt die Ehefrau.
Nach der blutigen Attacke hatte der schmächtige Amokläufer noch einer 28 Jahre alten Kundin aus Delbrück mit einem Axthieb den Arm gebrochen. Die verletzte Frau sah noch, wie der Angreifer die Waffe beiseite stellte und auf den Ausgang zusteuerte. »Zum Glück haben zwei couragierte Kunden den Mann gegriffen und im Ausgangsbereich festgehalten«, lobt Kriminalhauptkommissar Holger Jacobs, der in dem Fall ermittelt.
Trotz seiner 34 Jahre hatte der arbeitslose Täter bis zuletzt bei seinen Eltern gelebt. Ob dieser Umstand etwas damit zu tun hat, dass er sich als erstes Opfer ein älteres Ehepaar ausgesucht hatte - die Ermittler wissen es noch nicht. »Wir wollen nicht spekulieren und hoffen, dass sich der Mann doch noch zu seinem Motiv äußert«, sagt Staatsanwalt Dietmar Sauerland. Er ermittelt wegen versuchten Mordes und hat inzwischen beantragt, dem Amokläufer einen Pflichtverteidiger zur Seite zu stellen. Der Mann war zuvor nicht als Straftäter in Erscheinung getreten.
Eine besondere Beziehung zu dem Praktiker-Baumarkt soll der 34-Jährige übrigens nicht gehabt haben. Nach Recherchen der Kripo hatte der Paderborner gemeinsam mit seinen Eltern immer wieder auch Baumärkte anderer Ketten besucht. »Es hätte wohl überall passieren und jeden treffen können«, sagt Polizeisprecher Michael Biermann.

Artikel vom 06.07.2006