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WM bleibt ein großes Fest

Deutsche Elf muss sich nicht verstecken -ĂŠKlinsmann soll weitermachen

Berlin (dpa/Reuters). Der Schock nach der 0:2-Niederlage der Klinsmann-Elf saß tief, währte aber nicht lange. Schon eine halbe Stunde nach dem Abpfiff gab es die ersten aufmunternden Reaktionen. »Dann werden wir eben Dritter, das ist nicht so bitter«, riefen deutsche Fans.
Macht er weiter? Bundestrainer Jürgen Klinsmann hat sich Bedenkzeit erbeten.Fotos: dpa
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) buhlt unterdessen um die Gunst von Jürgen Klinsmann. Gestern forderte der scheidende DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder den Bundestrainer eindringlich zum Weitermachen auf. Klinsmann habe ein tolles Team geformt und Deutschland in einen euphorischen Zustand versetzt wie zur Zeit der Wiedervereinigung vor 16 Jahren, sagte Mayer-Vorfelder.
Der Coach lässt seine Zukunft noch offen. »Gebt mir ein paar Tage Zeit, um das auch mal sacken zu lassen und mit meiner Familie zu besprechen«, hatte Klinsmann kurz nach Abpfiff gesagt. Ein Wunsch, dem der DFB entsprechen wird. In Umfragen sprachen sich schon nach dem Viertelfinalsieg über Schweden wenigstens zwei Drittel für einen Verbleib Klinsmanns im Traineramt aus.
Selbst am Tag nach der Halbfinalniederlage ermittelten Wissenschaftler eine erstaunlich gute Stimmungslage unter den WM-Gastgebern. Statt der 105 möglichen, eine tiefe Depression darstellenden Punkte erreichte das virtuelle Messinstrument gestern nur 20 Punkte, fand Wirtschaftswissenschaftler Andreas Szankay heraus.
Die bisherige Fußball-Euphorie werde zwar allmählich abklingen, sagte der Münchner Psychotherapeut Stephan Lermer, sprach aber dennoch von einer ganz großen Wende: »Dass wir Ja sagen zum Staat, zur Nation, zum Vaterland, zu Deutschland, zu unseren Farben.«
Auch Bundespräsident Horst Köhler dürfte mit seinem Brief an die Klinsmann-Truppe das Gefühl vieler getroffen haben: »Es hat nicht gereicht - aber Sie haben sich trotzdem in die Herzen der Deutschen gespielt!« Deutschland habe in dieser Mannschaft ein neues Vorbild gefunden, sagte der Bundespräsident, der am Dienstagabend zusammen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Nationalspieler nach dem verlorenen Spiel in der Kabine besucht hatte.
So kurz vor dem Ende einer fröhlichen WM wollen sich die meisten die Stimmung nicht verderben lassen. »Berlin, Berlin, wir pfeifen auf Berlin«, sangen sie als trotzige Antwort auf die »Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!«-Rufe mit italienischem Akzent. Bereits am Samstag wird zum Spiel der deutschen Mannschaft um Platz drei in Stuttgart (Anpfiff: 21 Uhr) bundesweit wieder mit großem Andrang auf den Fußball-Fanmeilen gerechnet. S. 4: Leitartikel/Sport-Zeitung

Artikel vom 06.07.2006