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Die Leidenschaft im Quadrat
Virus Sudoku -Êdie kniffligen kleinen Zahlenrätsel aus Japan haben bereits die ganze Welt infiziert Dieses Phänomen breitet sich rasend schnell aus. Rund um den Globus sind schon Millionen Menschen betroffen. Sie alle zeigen eindeutige Suchtsymptome und sind nicht mehr zu retten, denn ein rätselhafter Virus mit dem harmlosen Namen Sudoku hat sie infiziert.
Die Auswirkungen des weltweit grassierenden Rätselfiebers sind bereits hinlänglich bekannt: Ein unverhältnismäßig hoher Bleistift- und Radiergummi-Verschleiß geht mit dem zwanghaften Bedürfnis einher, die Ziffern 1 bis 9 immer und immer wieder neu sortieren zu wollen. Hoffnungslos sind jene Fälle, in denen Infizierte das Zahlenrätsel bereits zur Entspannung knacken müssen.
Die Verbreitung des Virus ist praktisch nicht zu stoppen, da es sich um einen Erreger der Spezies »Spiel« handelt. Das Infektionsrisiko ist als extrem hoch zu bewerten, weil die Regeln sehr leicht und von jedermann schnell zu erlernen sind.
Denn obwohl sich bei Sudoku alles um Zahlen dreht, wird überhaupt nicht gerechnet, mathematische Vorkenntnisse sind somit unerheblich. Das Spiel basiert auf purer Logik. Wer sich der Leidenschaft im Quadrat hingibt, muss lediglich zwei Komponenten effektiv miteinander kombinieren können: Köpfchen und Konzentration.
Die große Begeisterung für die knifflige Knobelei kommt - wie der Name schon vermuten lässt - aus Japan. Jeden Monat werden dort 600 000 Sudoku-Rätselhefte verkauft. In einem Land, dessen Schrift sich kaum für Kreuzworträtsel eignet, scheint von dem logischen Zahlenpuzzle eine ganz besondere Faszination auszugehen.
Doch obwohl der Name Sudoku japanisch und der Rummel darum ganz neu ist, geht das Spiel auf eine andere, viel ältere Quelle zurück. Als Erfinder der so genannten lateinischen Quadrate, denen auch Sudoku zuzurechnen ist, gilt der berühmte Schweizer Mathematiker Leonhard Euler, der von 1707 bis 1783 lebte.
Einer breiteren Öffentlichkeit wurde das Phänomen erst in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts zugänglich. Damals erschienen erste Sudoku-Vorgänger unter der Bezeichnung »Number Place« in einer amerikanischen Zeitschrift. Erst 1984 gelangte das Zahlenrätsel nach Japan und bekam seinen neuen Namen Sudoku, was soviel heißt wie »einzelne Zahl«.
Dieser Name ist Programm, denn es geht darum, einzelne Zahlen so in einem Raster von 9 x 9 Feldern zu positionieren, dass jede Spalte, jede Zeile und jeder 3 x 3-Block die Ziffern 1 bis 9 enthält.
Klingt simpel, ist es auch - jedenfalls bei Sudokus der leichten Kategorie. Der einfachste Fall, dass in einer Zeile, einer Spalte oder einem kleinen 3 x 3-Block nur noch eine Zahl fehlt, ist jedoch die Ausnahme. Meistens fehlen mehrere Ziffern. Je weniger vorgegeben sind, desto schwieriger wird's.
Die internationale Sudoku-Karriere nahm 1997 ihren Anfang, als ein in Hongkong ansässiger Neuseeländer bei einem Besuch in Tokio auf eines dieser Rätsel stieß. Dieser Wayne Gould war der Tüftelei sofort verfallen und entwickelte in den folgenden sechs Jahren ein Computerprogramm, mit dem die insgesamt 6,67 Trilliarden Varianten des Puzzles automatisch erzeugt werden können.
Einige davon bot er im Herbst 2004 der englischen Tageszeitung »The Times« an, die mit der Veröffentlichung zum Siegeszug der Sudokus entscheidend beitrug. Plötzlich fingen im Vereinigten Königreich sogar Mathemuffel an zu knobeln.
Nach Deutschland schwappte die Rätselwelle im vergangenen Jahr. Seitdem sind die kleinen Quadrate nicht nur in Zeitungen und Rätselheften zu finden, sondern auch in Büchern, auf CD-Rom, fürs Handys, als elektronisches Spiel für unterwegs, in Zauberwürfelversion, als Brettspiel und sogar in Blindenschrift. Alle haben eines gemein: das Erfolgserlebnis, denn Sudokus gibt es auch als locker-leichte Variante für Anfänger. Die Kategorien »ganz schön raffiniert« und »echte Herausforderung« dürften eher den Geschmack von Menschen wie Kerstin Wöge treffen. Die 25-jährige Lehramtsstudentin aus Potsdam wurde im November 2005 zur ersten Deutschen Sudoku-Meisterin gekürt. Sie brauchte keine acht Minuten für ein Exemplar mit 17 vorgegebenen Ziffern, dem Minimum für ein eindeutiges Ergebnis.
Die angehende Grundschullehrerin für Deutsch, Mathematik und Sachkunde ließ bereits in ihrer Kindheit keine Gelegenheit aus zu rätseln. Beim Essen, Musik hören, selbst im Unterricht ging sie unter der Bank ihrem Hobby nach. Zunächst löste sie gängige Rätsel, seit acht Jahren nur noch die magischen Zahlenquadrate.
Mit einem täglichen Trainingsprogramm verschafft sie sich nun »Futter fürs Gehirn« und feilt an ihrer Perfektion - ein typischer Fall von Sudoku-Sucht. Welche langfristigen Folgen das Rate-Fieber hat, ist allerdings nicht bekannt. Kerstin Heyde

Artikel vom 29.07.2006