08.07.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Klinsmann-Heimspiel
nicht komplett nutzlos

Umstellungen vor dem kleinen Finale in Stuttgart

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Berlin (WB). Es ist kein »Heimspiel«, das Jürgen Klinsmann wollte. Aber wenn er schon nach Hause kommt, dann möchte der Schwabe auch, dass seine Mannschaft beim Besuch in der Heimat des Bundestrainers einen guten Eindruck hinterlässt.

»Wir werden uns noch einmal alle Mühe geben«, versprach Klinsmann vor der Partie um Platz drei in Stuttgart. Mittlerweile dämmert es den Beteiligten auch, diese Ansetzung besser nicht als komplett nutzlos vom Tisch zu wischen. »Wenn man um den dritten Platz einer Weltmeisterschaft spielen darf, hat das auch auch was«, sagte der Bundestrainer. Mit einem flammenden Appell verband er das zwar nicht mehr; es tut jedoch gut, etwas anderes von Klinsmann zu erfahren: »Unsere Stimmung ist zurück auf dem Weg nach oben. Der Schock ist jetzt so einigermaßen verdaut.«
Was noch zu tun bleibt, müssen auch jene erledigen, die bisher eher unscheinbar mitgeschwommen sind in der Begeisterungswelle. So kommt Robert Huth zu seinem zweiten WM-Einsatz, Marcell Jansen wird sein Turnierdebüt feiern. Personalien, die Klinsmann schon gestern bekannt gab, fernab jeder Geheimniskrämerei. Auch das zeigt, dass die Portugal-Partie eben nur das kleine Endspiel ist und nicht das große Finale.
Wie angekündigt, hütet Oliver Kahn das Tor. Ihm spendiert Klinsmann dieses Spiel und ein paar warme Worte: »Oliver hat die Mannschaft mitgeprägt. Wir haben ihm viel zu verdanken. Dass er nicht Nummer 1 war, tat ihm weh. Aber er hat es fantastisch getragen.« Und der Trainer ist auch beeindruckt von der Annäherung seiner entferntesten WM-Spieler Lehmann und Kahn: »Das ist doch eine wunderbare Geschichte, die nur der Fußball schreibt.«
In Erwartung des Endes darf es ruhig mal rührselig werden. Dagegen verblasst auch eine Nachricht zur Nebensächlichkeit, die mitten im Turnier noch für blankes Entsetzten gesorgt hätte. Kapitän Michael Ballack ist schon wieder verletzt. Ein Kniefall dieses Mal: Entzündung in der linken Kehle, nach dem ersten Spiel verpasst er nun auch das letzte. So ein Pech.
Eine Fußverletzung könnte außerdem den WM-Ausstand von Tim Borowski verhindern. Per Mertesacker und Arne Friedrich hatten sich schon am Vortag abgemeldet. Für Friedrich soll Philipp Lahm in der Viererkette von links nach rechts rücken. Von diesem Standort kommt er zwar, doch ist er dort schon seit Jahren nicht mehr gesehen worden. Deswegen wäre dieser Seitenwechsel die interessanteste Umbesetzung.
Zur Abschlussfeier betritt die Mannschaft dann am Sonntag Mittag gegen zwölf Uhr die Bühne am Brandenburger Tor. Sich in Berlin bei den Fans auf deren Meile zu bedanken, war ihr eine Herzensangelegenheit. Die Party könnte sich zu einer Massenkundgebung für Trainer Klinsmann ausweiten, der nicht ganz ausschließen mag, von seinen Gefühlen übermannt zu werden: »Wenn die Tränen kommen, dann kommen sie.« Dem Endspiel am Abend weinen die Deutschen dann auch noch etwas nach. Ins Stadion gehen wollen sie nicht. Ihre Urlaubsflieger warten schon.

Artikel vom 08.07.2006