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Mit gleichem Personal
auf zu neuen Zielen

DFB-Auswahl hat gute Aussichten für die EM 2008

Vom Friedrich-Wilhelm Kröger
Berlin (WB). Wer eben noch im WM-Halbfinale gegen Italien antreten durfte, mag nicht an San Marino denken. Oder an Georgien. Oder Zypern. Gegner, die für die DFB-Auswahl im Augenblick noch keine Rolle spielen, die aber ganz schnell auf sie zukommen werden.

Das Stichwort »EM-Qualifikation« geht den Nationalkickern nach dem WM-Fest sicher nicht runter wie Öl. Es klingt so nach Alltag. Nach Pflichtaufgabe. »Wenn man gerade bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land die Chance hatte, ins Endspiel zu kommen, tut man sich schwer damit, dass dies ein Ziel sein soll«, verweigert der Bremer Tim Borowski noch die Auseinandersetzung mit den Qual(i)rivalen.
Nach der Kür folgt die Pflicht. Und schon in diesem strammen Programm mit 14 Partien muss Deutschland beweisen, dass die starke WM-Vorstellung keine Sinnestäuschung gewesen ist. Sich souverän durchschlagen und dann bei der Endrunde 2008 nach der Kontinentalmeisterschaft greifen: Das ist der Auftrag der nächsten zwei Jahre - auch wenn die Spieler in einem EURO-Triumph gegenwärtig kaum mehr sähen als einen Trostpreis. Die Zeit wird die Einstellung ändern. Denn es ist ein Titel, »und letztlich geht es immer nur darum«, sagt Teammanager Oliver Bierhoff.
Wenn die WM-Klasse von 2006 tatsächlich zur Goldenen Generation aufsteigen will, müssen die jungen Spieler die nächste Stufe erklimmen. Das ist schon für die Älteren schwer genug. So erzielte der potentielle WM-Schützenkönig Miroslav Klose neun seiner bisher zehn WM-Treffer in der Vorrunde. Das soll die Leistung des Bremer Stürmers nicht schmälern. Das soll nur zeigen: Oben wird die Luft immer dünner.
Auch für Prinzen. Lukas Podolski wurde zwar zum besten jungen Spieler der WM ernannt, er stieß gegen Argentinien und Italien allerdings an seine bisherigen Grenzen. Nun wartet auf ihn ein harter Konkurrenzkampf beim FC Bayern, den der 21-Jährige auch erst bestehen muss. »LuPo« staunt ja immer noch, in so jungen Jahren schon ein erfolgreicher WM-Angreifer zu sein. »Wenn mir das einer vor drei Jahren erzählt hätte, hätte ich ihn für doof gehalten. Da war ich noch in der A-Jugend.«
Podolskis künftiger Klubkamerad Bastian Schweinsteiger (21) gehört ebenfalls zu den Hoffnungsträgern. Beim Probelauf 2006 hat er aber erkannt, dass das Prädikat Weltklasse hart zu erlangen ist. Er fiel erst stark auf - und dann immer weiter ab. »Die Perspektive der Mannschaft ist gut, an Erfahrung mangelt es ihr noch«, sagt DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, der davon ausgeht, dass die DFB-Auswahl bis 2008 oder spätestens zur WM 2010 erheblich weitergekommen ist, wenn es darum geht, mit Routine ein 0:1 in der 119. Minute zu verhindern.
Bis dahin sind die Jungen wie Marcell Jansen (20), Per Mertesacker (21), Robert Huth (21), Philipp Lahm (22), Mike Hanke (22) und David Odonkor (22) nicht mehr so jung und die meisten der Älteren wie Thomas Hitzlsperger (24), Christoph Metzelder (25), Tim Borowski (26), Sebastian Kehl (26), Timo Hildebrand (27), Arne Friedrich (27), Gerald Asamoah (27) und Torsten Frings (29) wahrscheinlich noch dabei, ergänzt von neuen Küken.
Einen Personalumbruch nach dieser WM gibt es nicht. Die Anführer bleiben Michael Ballack, 29 Jahre, und Klose, der ein Jahr jünger ist. Jens Lehmann (36) wartet ebenso wie Bernd Schneider (32) die Entscheidung des Bundestrainers ab. Gerechnet wird mit den Rücktritten von Oliver Kahn (37), Oliver Neuville (33) und Jens Nowotny (32).
Mit einem Durchschnitt in den mittleren Zwanzigern hatten die Deutschen schon jetzt eine gute Altersstruktur. Ihr Mischungsverhältnis zwischen Senioren, Mittelalter und Junioren wollen sie beibehalten. Den stürmischen Stil auch - wenn Klinsmann bleibt. »Was ein anderer Trainer spielen lassen würde, weiß ich nicht«, sagt Edelhelfer Joachim Löw, »da hat jeder eigene Vorstellungen.« Der Bundestrainer-Assistent sagt es in einem Tonfall, der nicht fehl zu interpetieren ist: Weiter in der bisherigen Besetzung, alles andere könnte das Feuer der Nationalmannschaft schnell austreten.
Gespannt sein darf man auf den Kader der nächsten Länderspiele. Die WM-Draußenbleiber um Kevin Kuranyi (24) und Patrick Owomoyela (26) geben nicht auf, auch andere drängen in den Kreis - wie der Mainzer Manuel Friedrich (27). Oder der Leverkusener Stürmer Stefan Kießling (22). Dazu eröffnet die Bundesliga vielleicht eine Talentschau. Macht Klinsmann weiter, bleiben die Türen garantiert weit geöffnet.

Artikel vom 08.07.2006