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Lange genug still gehalten

»Verlängerte Mittagspause« leitet Ärzteprotest an Städtischen Kliniken ein


Von Michael Schläger und
Carsten Borgmeier(Fotos)
Bielefeld (WB). Mit einer verlängerten Mittagspause beteiligten sich am Dienstag etwa 100 der mehr als 400 Mediziner der Städtischen Kliniken an den Protestaktionen des Ärzteverbandes Marburger Bund zur Durchsetzung eines Ärzte-Tarifvertrages an kommunalen Krankenhäusern. »Wir wollen das Ergebnis der nächsten Verhandlungsrunde am kommenden Freitag abwarten«, sagte Chefarzt Dr. Theodor Windhorst, gleichzeitig Bezirksvorsitzender des Marburger Bundes in Ostwestfalen- Lippe. »Dann wird darüber entschieden, ob der Streik ausgeweitet wird.«
Von der verlängerten Mittagspause bemerkten die meisten Patienten gestern wenig. Allerdings mussten einige Operationstermine verschoben werden. Die Notfallversorgung und auch die Behandlung von Krebspatienten waren nicht beeinträchtigt. An der Aktion beteiligten sich Ärzte des Klinikums Mitte wie auch des zweiten Standortes an der Rosenhöhe.
Zunächst versammelten sich die Mediziner mit Trillerpfeifen, Ratschen und Protestplakaten vor dem Eingang des Klinikums Mitte. Anschließend fand eine Protestversammlung im Seminarraum des Hauses statt. Neben einem eigenständigen Tarifvertrag fordern die Krankenhausärzte »familiengerechte Dienstpläne« mit geregelteren Arbeitszeiten und sozialverträgliche Dienstverträge. »Vielen fehlt die Perspektive, wenn sie immer nur Zwei-Jahres-Verträge erhalten«. meinte Windhorst. Außerdem müsse die Bürokratie deutlich zurückgefahren werden. »Wir wollen mehr Zeit an den Krankenbetten verbringen.« Auch die Bezahlung solle deutlich verbessert werden. Ausdrücklich gebe es aber keine konkrete Forderung wie bei den Uni-Ärzten, die 30 Prozent mehr verlangt hatten. »Still gehalten haben wir lange genug«, meinte Leitender Oberarzt Dr. Christian Leuner. »Jetzt muss gehandelt werden.«
Auch Kliniken-Geschäftsführer Dr. Johannes Kramer sprach zu den Ärzten. Sollte der Tarifabschluss für die Uni-Kliniken auf die kommunalen Häuser übertragen werden, rechnet er mit Mehrbelastungen in Höhe von 2,5 Millionen Euro allein für sein Haus. »Ein Betrag, den wir nicht mehr auffangen können«, sagte Kramer. Es sei den städtischen Kliniken im vergangenen Jahr nur mit Mühe gelungen, eine »schwarze Null« zu schreiben. »Wir haben ein gemeinsames Dilemma«, appellierte Kramer an die Mediziner, auch die finanzielle Notlage vieler kommunaler Krankenhäuser zu sehen. Auf Flugblättern wurden die Patienten von der Klinikleitung über den Arbeitskampf unterrichtet. Die meisten Patienten äußerten Verständnis für den Mediziner-Protest.
Windhorst erklärte, der Marburger Bund, in dem 80 Prozent der Klinik-Ärzte organisiert sind, sei sich der besonderen Konkurrenzsituation, der die Städtischen Kliniken in Bielefeld ausgesetzt seien, bewusst. Der Arbeitskampf solle deshalb nicht deren wirtschaftliche Existenz gefährden.

Artikel vom 05.07.2006