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Der Stiftungsboom hält an:
»Riesenchance für unser Land«

Jeder vierte Deutsche vermutet immer noch ein »Spielzeug der Reichen«

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Gaius Cilnius Maecenas war ein mieser Dichter, aber als Förderer so großer Geister wie Vergil, Varius und Horaz überlebte seine Name mehr als zwei Jahrtausende - als erster großer »Mäzen« der Geschichte.
Weit vor dem Stiftungsboom aktiv: Heinz Nixdorf.Fördert »zukunftsfähige Gesellschaft«: Reinhard Mohn.
Die Chance hat Warren Buffet vertan, ganz bewusst. 31 Milliarden Dollar, dreimal so viel wie das geschätzte Vermögen der beiden größten deutschen Stiftungen Bosch und Bertelsmann, wird er in fünf Jahresraten in die »Bill and Melinda Gates Foundation« einbringen. Damit könnte nicht der Name des genialen Finanzstrategen, sondern der des Gründers von Microsoft, Bill Gates, zumindest einige Jahrhunderte überdauern.
Der Wunsch nach Ruhm über Jahrzehnte oder schlicht Misstrauen gegen Staat und Finanzbehörden wird Gönnern und Gebern bisweilen unterstellt. Stiftungen seien »ein Spielzeug der Reichen«, glaubt nach der jüngsten Stifter-Studie aus Gütersloh immerhin jeder vierte Deutsche.
Aber seit US-Stahlbaron Andrew Carnegie 1889 notierte, »wer reich stirbt, stirbt in Schande«, lassen sich große und kleinere Vermögende nicht vom Geben, meist im Stillen abhalten.
Hierzulande gab es - kaum bemerkt - 2005 einen neuen Rekord. 880 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts wurden gegründet. »Das hohe Niveau bei der Zahl der Stiftungsneugründungen konnte 2005 abermals leicht zulegen«, freut sich Hans Fleisch, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen in Berlin. »Es ist wichtig, dass in den nächsten beiden Jahren die Ankündigung im Koalitionsvertrag umgesetzt wird, die Rahmenbedingungen für Stiftungen und Zustiftungen weiter zu verbessern«, sagt Fleisch. »Der heutige Stiftungsboom kann noch erheblich beflügelt werden - eine Riesenchance für unser Land.«
Weit vor dem Boom, der auch kleine Bürgerstiftungen und Zustiftungen brachte, entdeckten die beiden ostwestfälischen Wirtschaftspioniere Heinz Nixdorf und Reinhard Mohn die Möglichkeit zur gemeinnützigen Anlage ihrer Vermögen.
Der 1986 verstorbene Paderborner Computer-Unternehmer schuf die Heinz-Nixdorf- und die Westfalen-Stiftung. Letztere wirkt vor allem über das Heinz Nixdorf-Museumsforum. Daneben fördern beide Stiftungen Ausbildung, Staatsbürgertum und Forschung. Ihre Liste der wichtigsten Kooperationspartner ist lang: Stifterverband für die deutsche Wissenschaft, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, Ludwig-Erhard-Stiftung, Bertelsmann Stiftung, Hertie Stiftung, Zeit-Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Mercator Stiftung und Stiftung der deutschen Wirtschaft.
Die Bertelsmann-Stiftung versteht sich als »operativ tätige Einrichtung«. Sie will nach eigenem Verständnis als »Reformmotor« den gesellschaftlichen Wandel fördern und unterstützt das ebenso hohe wie abstrakte Ziel »zukunftsfähige Gesellschaft«.
In ihrer Projektarbeit folgt die Bertelsmann-Stiftung der Überzeugung Reinhard Mohn, dass die Prinzipien unternehmerischen Handelns zum Aufbau einer zukunftsfähigen Gesellschaft beitragen können.
Tochter Brigitte Mohn bettet das Wirken von Stiftungen allgemein in ein breiteres Umfeld ein. »Bürger stiften oder engagieren sich mit Herzblut, Zeit und Geld, weil sie gemeinsam mit anderen ihre Wertevorstellungen in gelebte Praxis umsetzen wollen.«
In Deutschland ist die Spenderszene sehr viel kleiner als in den USA, wo staatliche Wohltätigkeit oft abgelehnt wird. Die dort jetzt diskutierte verstärkte Zusammenarbeit einzelner Stiftungen gibt es hierzulande längst.
Buffets große Gabe, die der Gates-Stiftung den doppelten Unesco-Jahresetat verschaffte, soll in den USA Nachahmer finden. Der 75-jährige Buffet sagt: »Einiges an meinem Plan wird nicht das Dümmste sein für den einen oder anderen der 20 Leute, die als nächste sterben und eine Milliarde Dollar oder mehr zu vergeben haben.«

Artikel vom 25.07.2006