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Ärzte retten krankes Frühchen

Sarah kam mit 980 Gramm und mit einem schweren Herzfehler zur Welt

Von Christian Althoff
Bad Oeynhausen (WB). Der Eingriff dauerte sechs Stunden: Ein 15-köpfiges OP-Team der NRW-Kinderherzklinik Bad Oeynhausen hat ein frühgeborenes Mädchen gerettet, das mit einem lebensbedrohenden Herzfehler zur Welt gekommen war und bei der Geburt nur 980 Gramm wog. Heute dürfen die Eltern ihr zehn Wochen altes Baby mit nach Hause nehmen.

Die kleine Sarah war am 24. April in Coesfeld zwölf Wochen zu früh zur Welt gekommen, am Tag darauf stellten die Ärzte dort bereits den komplizierten Herzfehler fest. Prof. Deniz Kececioglu, Direktor der NRW-Kinderherzklinik: »Das Mädchen hatte zwei Löcher in den Herzscheidewänden. Deshalb pumpte das kleine Organ viermal so viel Blut wie gewöhnlich in die Lunge, die sich dagegen zur Wehr setzte und deshalb nicht genügend Sauerstoff produzierte.« Darum musste das Mädchen seit seiner Geburt beatmet werden. Auch fehlte Sarah ein Stück Körperschlagader. »Sarah überlebte nur, weil eine Ader, die sich sonst bei Babys nach der Geburt zurückbildet, mit Hilfe von Medikamenten künstlich offengehalten wurde und das fehlende Stück überbrückte.«
Die einzige Möglichkeit, dem Mädchen zu helfen, sei eine sogenannte Hybrid-Operation gewesen, bei der Chirurgen und Kardiologen zusammenarbeiten, sagte Kececioglu. Sarah wurde im Krankenhaus Coesfeld aufgepäppelt, bis sie 2000 Gramm wog, dann wagten die Oeynhausener Ärzte Ende Juni den Eingriff. Im Katheterlabor öffnete Kinderherzchirurgin Dr. Ute Blanz den winzigen Brustkorb des Säuglings. »Das Herz war nicht größer als eine mittlere Erdbeere«, berichtete die Oberärztin gestern. Mit sehr viel Fingerspitzengefühl band sie Kunststoffstreifen um die Lungenschlagadern und reduzierte so den Blutzufluss in die Lunge vorsichtig auf die übliche Menge. Oberarzt Dr. Nikolaus Haas, Chef des Kinderherzkatheterlabors, nutzte den geöffneten Brustkorb, um ein Röhrchen (einen sogenannten Stent) in das Aderstück zu schieben, das bis dahin nur mit körperschädigenden Medikamenten offengehalten werden konnte. »Seit der Operation kann Sarah aus eigener Kraft atmen - ohne Gerät«, freute sich Dr. Ute Blanz.
Die Eltern Andre (30) und Kerstin Bauland (30) werden ihre Tochter jetzt weiter aufpäppeln. »Wenn sie doppelt so schwer ist wie jetzt, wollen wir die Löcher in ihrem Herzen verschließen. Dazu muss Sarah an eine Herzlungenmaschine, und diesen schweren Eingriff hätte sie jetzt noch nicht verkraftet«, erklärte Prof. Kececioglu.
Es war das erste Mal, dass in Bad Oeynhausen bei so einem kleinen Kind ein kombinierter chirurgisch-kardiologischer Eingriff durchgeführt worden ist. »Wir sind froh, dass Sarah alles gut überstanden hat, aber wir wissen auch, dass ihr Schutzengel ganze Arbeit geleistet hat«, sagte Dr. Nikolaus Haas, der bereits 2500 Kathetereingriffe durchgeführt hat.
Die Eltern strahlten gestern, als sie auf der Intensivstation ihre Tochter aus dem Bettchen nehmen und sich auf die Heimreise vorbereiten konnten. Denn die Herzexperten haben ihnen Hoffnung gemacht, dass Sarah nach der noch ausstehenden Operation ein beinahe normales Leben führen kann.

Artikel vom 05.07.2006