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Neustart mit großem Fest

Saniertes Widukind-Museum eröffnet am 20. August


Enger (WB). »Knochenkrimi« im Mittelalter: Mit einer neu entwickelten Ausstellung öffnet das Widukind-Museum am 20. August in Enger (Kreis Herford) seine Tore. Besucher könnten sich in der Rolle eines Forschers mit Mikroskopen an der Lösung der Rätsel um den sagenumwobenen Sachsenherzog Widukind versuchen, sagte ein Sprecher des Museums gestern. Widukinds Gebeine galten jahrhundertelang als heilig, im Mittelalter sprachen ihnen die Menschen Heilwirkung zu. Erst in den 1970er Jahren kam heraus, dass es sich bei den Widukind zugeschriebenen Gebeinen die Knochen einer jungen Frau handelte.
Die richtigen Knochen lägen möglicherweise in einer benachbarten Grabstelle in der Stiftskirche Enger, hieß es. Über Widukinds Leben gebe es nur spärliche zeitgenössische Quellen. Diese berichteten von heftigen Kämpfen zwischen den heidnischen Sachsen und den christlichen Franken in den Jahren 772 bis 785. Damals soll Widukind Aufstände gegen die Franken geführt haben; schließlich ließ er sich doch taufen. Das neue Widukind-Museum widmet sich der Erinnerungskultur und liefert Hinweise zu der Frage: »Wie und warum wurde der sächsische Adelige zu einer historischen Gestalt?«
Jede Zeit macht sich ihr eigenes Bild: Während für die Franken der Sachse Widukind ein Anti-Held war, erschien er späteren Autoren als Vorbild. Sie beschrieben ihn als bedeutenden Krieger und wohltätigen Christen. Adelshäuser der frühen Neuzeit rühmten sich mit Widukind als ihrem Stammvater. Schriftsteller und Historiker des 19. Jahrhunderts berschrieben ihn gar als charismatischen Helden. Und die Nationalsozialisten sahen in dem »Sachsenführer« ein Idol für Kampfesmut und »Volksgemeinschaft«.
Derzeit geht es in dem denkmalgeschützten Museum noch turbulent zu, denn es wird umfassend saniert. So soll denn auch die Wiedereröffnung mit einem großen Fest gefeiert werden, inklusive mittelalterlichem Sachsenlager.
Unter den Ausstellungsstücken wird auch der berühmte Dionysius-Schatz sein -ĂŠallerdings nur als Nachbildung. Der früher zum Kanonikerstift Enger gehörende mittelalterliche Kirchenschatz besteht aus mehreren Reliquienbehältern, die kunstvoll eingefasst sind. Einer davon erlangte besonders im Mittelalter Berühmtheit: das »Bursenreliquiar«.
Es gilt als eines der kostbarsten Werke frühkarolingischer Goldschmiedekunst und entstand im letzen Viertel des achten Jahrhunderts. Lange Zeit galt es als Taufgeschenk Karls des Großen an Widukind. In Reliquiaren transportierten Kirchenherren nach der Christianisierung Sachsens sterbliche Überreste von Heiligen zu neu gegründeten Klöstern. In Enger soll es Dionysius gewesen sein, in der Widukindstadt Wildeshausen (Niedersachen) waren es Gebeine von Alexander.

Artikel vom 05.07.2006