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Ballack und Podolski öffnen
auch im Kongo die Herzen

Verteidigungsminister im Einsatzgebiet - Auftrag der Bundeswehr unklar

Von Kristina Dunz
Kinshasa (dpa). Im Kongo fürchten deutsche Soldaten keine Sprengfallen oder Selbstmordattentäter wie in Afghanistan. Im Kongo sehen Männer des Vorauskommandos für die EU-Mission eher die Gefahr, dass Menschenmassen ihr Fahrzeug umringen, den Wagen umstürzen und den Insassen die Kehle durchschneiden.

Jedenfalls hätten Kongolesen ihnen bereits entsprechendes per Handzeichen am Hals bedeutet, berichtet ein 29 Jahre alter Oberleutnant gestern am Rande des Besuches von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) in der Hauptstadt Kinshasa. Dafür müsse er nicht Lingala sprechen.
Doch der Soldat, der seinen Namen nicht nennen möchte, sagt, er habe sich die Situation in der Sieben-Millionen-Metropole noch bedrohlicher vorgestellt. Man spüre zwar ganz deutlich eine Spannung und auch Aggression in der Stadt. Doch viele Kongolesen hätten ihm und seinen Kameraden bei Erkundungstouren erzählt, dass sie endlich freie Parlaments- und Präsidentschaftswahlen wollten und eine friedlichere und wirtschaftliche bessere Zeit nach Jahrzehnten der Unruhen und Ausbeutung ihres Landes.
Wenn ihnen eine Situation zu heikel erscheint, geben sich die Soldaten schnell als Deutsche zu erkennen. »Dann gratulieren sie uns zu unserer Fußballnationalmannschaft. Ballack und Podolski kennt hier jeder.«
Auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt sind fast ausschließlich Wahlplakate des Staatspräsidenten Joseph Kabila zu sehen. Auch in der Stadt beherrscht er das Bild. Nur vereinzelt sieht man das Konterfei eines seiner Herausforderer wie das des Vizepräsidenten Jean-Pierre Bemba. Die Plakatierung richte sich nach dem Reichtum der Kandidaten, heißt es. Und so gibt es neben dem überdimensionalen Gesicht auch von Hand gefertigte kleine Plakate wenig bekannter Bewerber.
Jungs Programm des zweitägigen Besuches beschränkt sich auf Gespräche mit Regierungsvertretern und dem Vorsitzenden der Wahlkommission, Muholongu Malumalu. Oppositionsvertreter hätten für ihn keine Zeit gehabt, sagt der Minister. Nach einem Treffen mit seinem Amtskollegen Adolphe Onusumba betont Jung aber: »Wir verhalten uns neutral und ergreifen für niemanden Partei.« Onusumba dankt Jung unterdessen für eine frühere Ausbildung kongolesischer Stabsoffiziere in Deutschland.
Ein Oberleutnant berichtet von einem »Kulturschock«, den er bei seiner Ankunft in Kinshasa vor vier Wochen erlebt habe. Der Müll, die Armut, die zum Bersten überfüllten Busse, fehlende öffentliche Verkehrsmittel, kein Strom - und das alles in einem Land, das auf Grund seiner Rohstoffe zu den reichsten der Welt gehören könnte.
Über den Auftrag der Bundeswehr innerhalb der EU-Truppen (EUFOR) ist in Kinshasa anderes als in Berlin und Brüssel zu hören. Dort wird den Soldaten immer die Rettung von Wahlbeobachtern zugeschrieben. In Kinshasa sagt ein Oberstleutnant, der Auftrag müsse erst noch definiert werden - aus der Situation heraus. Die Bundeswehr werde wohl Wahllokale schützen und Unterlagen transportieren. Sie stellt 300 von insgesamt 1100 EU-Soldaten zur Abschreckung möglicher Gewalttäter in Kinshasa.
Die militärischen Ehren, mit denen Jung in Kinshasa empfangen wurde, dürften zu den schillerndsten in seiner Amtszeit gehören. Mit Klängen, die eher an das Münchner Oktoberfest erinnern, wartete ein Musikkorps auf, das mehr tanzte als marschierte. Der Dirigent jonglierte mit dem Taktstock. Die Truppe machte den Eindruck, als würde sie im Ernstfall fröhlich und beschwingt in einen Krieg ziehen. Ihr Musikstück heißt »Der längste Tag«.
Das deutsche Hauptkontingent wird vom 10. bis 18. Juli in den Kongo verlegt. Derzeit sind 35 deutsche Soldaten in Kinshasa. Heute reist Jung auf dem Rückflug nach Berlin noch ins benachbarte Gabun, wo er mit dem Außenminister des Landes sprechen will.

Artikel vom 04.07.2006