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Michael Ballack - ein Unvollendeter

Der Kapitän verpasst wieder ein WM-Finale und bleibt ohne großen Titel

Berlin (WB/fwk). Die Unterlippe bebte, die Tränen rollten, das Stehvermögen reichte nicht mehr aus: Michael Ballack ging erst in die Knie und dann zu Boden - enttäuscht, erledigt, am Ende.

Vor vier Jahren in Japan fehlte er im Finale gegen Brasilien wegen einer Gelbsperre, jetzt blieb die Tür schon wieder zu. Ballack - ein Unvollendeter. Auch mit seinen Klubs Bayer Leverkusen und Bayern München mühte er sich bisher vergeblich um einen internationalen Titel. Da ist es zulässig, an das Vorhandensein dubioser Fußballmächte zu glauben, die es mit ihm nicht wohlmeinen könnten: »Es soll wohl nicht sein für mich.«
Der 29-jährige Spielführer war nach dem Aus gegen Italien angeschlagen. Jede Erkundigung nach dem Wieso und Warum tat weh. Das verriet ein selten trauriges Gesicht, das dazu auch müde und gezeichnet wirkte. Die Spuren eines langen, zehrenden Turniers. Dabei hatte sich Ballack vor der Verlängerung noch als Einpeitscher und Aufputscher unter den Kollegen betätigt.
An solchen Führungsqualitäten mangelte es ihm bei dieser WM nicht. Und auch auf dem Spielfeld wollte er vorangehen, auch wenn dies oft ein Zurückweichen bedeutete. Die defensive Aufgabe, so notwendig sie zur besseren Absicherung seiner Elf auch gewesen ist, kostete ihn Angriffskraft.
Darum fällt es der Statistik leicht, Ballacks Torbilanz ungewohnt karg zu resümieren: »Null« steht dort. Er hatte es gegen Schweden mit neun Weitschüssen versucht, anschließend war Ballack von einem WM-Treffer weit entfernt. Er hatte das schon kommen sehen und auch geahnt, was es bedeutet: »Die Mannschaft braucht meine Tore.« Doch von dort aus, wo sich der Kapitän zuletzt aufhielt, konnte er sie gar nicht mehr erzielen.
Gegen die Italiener mühte er sich fast verbissen darum, dem Spiel der DFB-Auswahl eine Linie zu geben. Im Viertelfinale gegen die Argentinier war aber bereits aufgefallen, dass Ballack schwer zu kämpfen hatte. Da machte sich bemerkbar, vor der WM nicht am vollen Programm beteiligt gewesen zu sein. Erkältung, kleinere Blessuren und die harte Wade führten zu Zwangspausen, die Bundestrainer-Assistent Joachim Löw zu einer nüchternen Analyse veranlassten: »Man hat gesehen, dass dem Michael ein paar Traininingsseinheiten gefehlt haben.«
Aufgeopfert hat er sich trotzdem, seine Weltmeisterschaft war es jedoch ganz sicher nicht. So blieb Ballack auch nichts anderes übrig, als den Dortmunder K.o.-Schlag, verpasst von einem starken Gegner, hinzunehmen: »Unverdient ist das für die Italiener nicht gewesen.«

Artikel vom 06.07.2006