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Nationalspielern droht Leistungstief

Arzt Kindermann prognostiziert physischen und psychischen Einbruch

Berlin (dpa). Den deutschen Nationalspielern droht nach der Weltmeisterschaft ein Leistungstief in der Bundesliga. »So intensiv, wie sie vor und während der WM trainiert haben, kann es sowohl physisch wie auch psychisch zu einem Einbruch kommen«, prognostiziert der deutsche WM-Chefmediziner Wilfried Kindermann.

»Dies kann der nächste Knackpunkt zwischen Bundesliga-Chefcoaches und Bundestrainer Jürgen Klinsmann werden, wenn er bleibt.« Doch man könne nicht einerseits mit dem Nationalteam jubeln und dann darüber meckern, dass der Erfolg auch seinen entsprechenden Preis habe.
Für die WM-Kicker fordert der frühere Nationalmannschaftsarzt (1990 bis 2000) eine ausreichende Auszeit bis zum Beginn der Bundesliga am 11./12. August. »Sie brauchen mindestens drei Wochen Pause, um den Akku aufzuladen. Darauf müssen die Trainer Rücksicht nehmen«, sagte Kindermann, Leiter des Instituts für Sport- und Präventivmedizin in Saarbrücken. »Doch wie ich hörte, ist dies nicht überall vorgesehen.«
Die neuen Trainingsmethoden, die Klinsmann mit der Auswahl des Deutschen Fußballbundes (DFB) in den vergangenen zwei Jahren praktiziert hat, seien wegweisend. »Es wird eine Zäsur im deutschen Fußball geben«, meinte Kindermann, der den Einsatz der Ärzte in den WM-Stadien leitet. Dass die Bundesligatrainer zunächst skeptisch auf die neuen Trainingsansätze reagierten, hält er für normal: »Jeder wird seine eigene Arbeit zunächst verteidigen, aber da warten wir mal ab.« Dass die Bundesliga in den europäischen Wettbewerben seit Jahren nicht mehr so erfolgreich ist, sollte jedoch zu denken geben.
Die WM habe gezeigt, dass der Fitness-Freak Klinsmann das Team perfekt vorbereitet hat. »Die Mannschaft hat intensiv trainiert, doch alle 23 Spieler sind fit und keiner ist verletzt. Er hat offenbar alles richtig gemacht«, stellte Kindermann anerkennend fest. »Ohne dieses Training hätte es diesen Erfolg nicht gegeben.« Allerdings sei es auch eine Gratwanderung gewesen. »Man kann es auch überziehen, doch es ist gelungen.« Als Gegenbeispiel nennt er Titelverteidiger Brasilien: »Da hat man gesehen, mit Technik und Ball hochhalten kann man kein Turnier gewinnen.«
Für Kindermann hat die WM gezeigt, dass im Fußball individueller und intensiver trainiert werden muss. »Ich habe immer gesagt, dass in der Mannschaftssportart Fußball nicht alle gleich trainieren müssen«, sagte des 4 x 400-Meter-Europameister von 1962. »Außerdem muss man die Spieler anweisen, Sonderschichten zu fahren.«

Artikel vom 06.07.2006