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Ein Baumeister
mit List und
Lust ins Pantheon

Frankreich verehrt Domenech

Hameln (dpa). Für die französische Zeitung »Le Figaro« ist Raymond Domenech bereits ein Fall fürs Pantheon.

Dort soll er nach dem WM-Coup über den entzauberten Fünffach-Weltmeister Brasilien und dem fünften Einzug in ein WM-Halbfinale einen Platz an der Seite jener Trainergrößen haben, die mit der »Ć’quipe tricolore« Vergleichbares schafften: Albert Batteux wurde 1958 nach einem 6:3 gegen Deutschland Dritter, Michel Hidalgo scheiterte 1982 erst im Halbfinale im Elfmeter-Krimi von Sevilla ebenso an den Deutschen wie 1986 sein Nachfolger Henri Michel (0:2). Nur Aimé Jacquet holte 1998 den einzigen WM-Titel für die »Grande Nation«.
Raymond Domenech, der aktuelle Trainer der »Blauen«, die mit ihrem unerwarteten Siegeszug ganz Frankreich in ein Fußballfieber versetzen wie 1998, gilt als Musterschüler Jacquets. Dem einflussreichen Vorsitzenden der Technischen Direktion des französischen Verbandes (FFF) verdankte er in erster Linie seinen Job als Nationalcoach im Juli 2004.
Der als »Marionette« des Verbandes Abqualifizierte strafte die Kritiker Lügen und verschaffte sich mit dem weiten WM-Vordringen Anerkennung und Respekt. Jetzt hält der Baumeister der französischen Fußball-Renaissance selbst die Fäden in der Hand. So wie bei den Pressekonferenzen, bei denen er keines moderierenden Pressesprechers bedarf. Der Laienschauspieler dominiert die Bühne, auf der er sich mit dem wachsenden Erfolg sichtbar sicherer und lockerer bewegt. Wie bei seinem Ziehvater Jacquet 1998 müssen die Medien Abbitte leisten.
Domenech genießt dies richtig und beliebt sogar zu scherzen. War sein rhetorisches Repertoire an Ironie, Sarkasmus, Süffisanz und Spott befremdlich und gefürchtet, so verbindet er seine schlagfertigen Wortspiele nun stets mit einem Zwinkern seiner von tiefschwarzen Brauen eingerahmten Augen. Der grau melierte Maskenmann lichtet langsam sein Visier. Aus dem zuvor äußerst distanzierten Verhältnis Domenechs zu den Medien wird zwar keine Liebesbeziehung werden. Doch ein von gegenseitigem Respekt geprägtes Verhältnis.
Die Distanz zu seinen Spielern wird mit wachsendem Erfolg geringer. Stießen seine Methoden, Fußballer Fechten zu lassen oder sie mit Rollenspielen der Computerwelt fern zu halten, anfangs noch auf Kopfschütteln, so hat es der Hobby-Astrologe geschafft, neuen Spaß im alternden Kader zu wecken. »Die Spieler müssen mit Lust auf den Platz gehen. Sie müssen Lust auf Erfolg haben, sonst funktioniert das nicht«, meint Domenech.
»Fußball ist wie Theater. Da werden auch nicht die Proben kritisiert«, sagte er nach den kläglichen Vorrunden-Vorstellungen seines Teams. Und: »Fußball ist wie das Leben. Da weiß man auch nicht, wann das letzte Match kommt.« Die weisen Worte waren auf Zinédine Zidanes letztes Spiel gemünzt, was es ja einmal morgen gegen Portugal - das Spiel wird von Jorge Larrionda (Uruguay) gepfiffen - werden könnte. Den Platz im Trainer-Pantheon hat Domenech so oder so.

Artikel vom 04.07.2006