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Notizen einer
WM-Woche


Brasilianische Trainer können richtige Quasselstrippen sein. Sie reden und reden und reden. Endlos. Zico hielt nach dem Vorrunden-Aus in Dortmund Monologe bis Mitternacht, Kollege Alexandre Guimares, der mit Costa Rica ebenfalls schon nach nur drei Spielen wieder nach Hause fahren musste, fand ebenfalls viele Worte für das Scheitern. Und Carlos Alberto Parreira sowieso: Brasiliens Coach, der mit dem großen Favoriten im Viertelfinale gestoppt wurde, erklärte ellenlang, wieso, weshalb und warum es so gekommen ist. Jetzt ist er weg, jetzt ist er still. Nur ein Brasilianer darf noch den Mund aufmachen, und das tut auch er sehr gern: Luiz Felipe Scolari, der Portugal heute gegen Frankreich ins Finale führen will. Wetten, dass er bei einem Sieg äußerst auskunftsfreudig sein wird?

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Sicherheit ist wichtig, Sicherheit muss sein. Aber man kann auch alles übertreiben. Wie beim Abschlusstraining der deutschen Nationalelf vor dem Italien-Spiel. Die Polizei, der Freund und Helfer, sperrte vor, am und im neuen Übungsgelände der Dortmunder Borussia im Ortsteil Brackel alles ab. Alarmstufe 1: Eine ganze Hundertschaft war im Einsatz, vielleicht sind es noch ein paar Bewacher mehr gewesen. Grob gerechnet, kamen an diesem Abend auf jeden Spieler fünf Polizisten. Oder sollte das schon ein Vorgeschmack auf das Halbfinale sein? Denn auch Italiens Abwehrspezialisten schätzen ja die doppelte Doppeldeckung.

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Einer sah in Dortmund lächelnd zu: Stefan Effenberg (Foto), riesige Sonnenbrille, Tiger-Tattoo und in bester Laune, verfolgte die kurze Schwitzeinheit der Nationalspieler. Vor zwölf Jahren zählte der Ex-Profi selbst zu diesen Auserwählten. Aber, wir erinnern uns, nicht so ganz lange. Berti Vogts schickte ihn vorzeitig nach Hause, weil Effe den Zuschauern den Stinkefinger gezeigt hatte. Heute darf er das »Premiere«-Mikrofon in die Hand nehmen. Und der Privatsender muss sich schon die Geschmacksfrage stellen lassen, ob er die richtige Wahl getroffen hat. Ein Spieler, dessen einzige WM ziemlich unrühmlich zu Ende gegangen ist, darf die WM 2006 im eigenen Land kommentieren. Irgendwie kommentiert sich das von selbst - oder? -klü

Artikel vom 05.07.2006