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Flinke Finger und dazu jede Menge Talent

Iserloh beste Akkordeonspielerin

Von Peter Monke (Text und Foto)
Senne (WB). Akkordeonmusik wird bis heute vielfach einzig und allein mit Volksmusik oder Shanty-Chören in Verbindung gebracht. Ein Vorurteil, das Claudia Iserloh, Musiklehrerin an der Musikschule Senne und gleichzeitig Deutschlands derzeit beste Akkordeonspielerin, schon oft geärgert hat. »Die Vielseitigkeit dieses Instruments wird verkannt. Mein Ziel ist es, das Akkordeon aus seiner Nische heraus und in die Konzertsäle hinein zu holen, um es einem möglichst breiten Publikum zugänglich zu machen.«

Eine kurze Kostprobe reicht, um das Talent der 27-Jährigen zu erkennen. Behände und zielsicher fliegen ihre Finger über die Knöpfe des Instruments. Keine einfache Übung: »Zumindest mit der linken Hand muss man blind spielen, weil man gar nichts sieht«, sagt Iserloh. Überhaupt sei das Akkordeon ein recht anspruchsvolles Instrument, da es drei motorisch unterschiedliche Elemente miteinander verbinde: Das rechte Manual, das linke Manual sowie den Blasebalg in der Mitte. Auf diese Weise vereine ein Akkordeon gleichzeitig Elemente eines Tasten- und eines Blasinstruments auf sich.
Ihre eigene Musikkarriere begann die gebürtige Münsteranerin, die heute in Brackwede wohnt, im Alter von neun Jahren wie so viele Kinder mit Blockflöten-Unterricht. »Anschließend haben mich viele in Richtung Klavier gedrängt, aber ich wollte ein Instrument haben, das nicht jeder spielt.«
Fortschritte ließen nicht lange auf sich warten. Bereits mit elf Jahren stand für Iserloh fest, »dass ich Musik studieren will, auch wenn ich damals nicht so genau wusste, was das im Einzelnen bedeutet«. Ihre Musikschullehrerin in Lübbecke, Gisela Laribi, erkannte das enorme Potenzial ihrer Schülerin und setzte sich selbstlos dafür ein, dass sie an der Musikschule Senne unter die Fittiche des bundesweit bekannten Akkordeonlehrers und Talentförderers Helmut Quakernack kam. Es folgte die Aufnahmeprüfung an der Hochschule für Musikerziehung in Hannover, an der Iserloh 2002 das Musiklehrer-Diplom absolvierte und 2005 die künstlerische Reifeprüfung meisterte. Seither ist sie Diplom-Musikerin und bereitet sich in der Solistenklasse auf ihr Konzertexamen vor.
Schwerpunktmäßig konzentriert sich die 27-Jährige auf Barockmusik und Musik des 20. Jahrhunderts. »Prinzipiell kann man mit einem Akkordeon heute aber jede Form polyphoner Musik spielen«, sagt sie. Dank des Konverter-Schalters - einer einfachen wie genialen Erfindung der 50er Jahren. Vor dieser Entwicklung konnte man mit der linken Hand bei jedem Knopfdruck nur ganze Akkorde spielen. Ein Stilmittel, das in der volkstümlichen Musik noch heute gerne benutzt wird. Mit dem Konverter-Schalter wurde es dagegen möglich, mit der linken Hand Einzeltöne zu spielen. »Insofern ist das Akkordeon moderner Prägung ein ziemlich junges und flexibles Instrument«, sagt Iserloh. Einzig bei Werken mit großem Pedaleinsatz stoße es irgendwann an seine Grenzen.
In modernen Orchester-Aufführungen wird das Akkordeon mittlerweile ab und an als neue Klangfarbe eingesetzt. Auch bei Filmmusiken wird es immer beliebter. Trotzdem hat Iserloh nach wie vor mit alten Klischees zu kämpfen. »Das Akkordeon ist ein Nischeninstrument und wird es wohl auch noch eine Weile bleiben. Wenn man mit diesem Status jedoch geschickt umgeht, kommt man teilweise einfacher in Konzertreihen hinein als Pianisten, die sich stets gegen ein ganzes Heer guter Kollegen behaupten müssen«, erzählt Iserloh.
Mit ihrer Partnerin Beate Müller, die Klarinette spielt und ebenfalls an der Musikschule Senne unterrichtet, bildet sie das »Duo con Abbandono«, was übersetzt »Duo mit Hingabe« bedeutet. Mit einem etablierten, klassischen Instrument wie der Klarinette im Verbund öffnet sich der 27-Jährigen so manche Tür, die ihr allein als Akkordeonistin verschlossen bleiben würden. Gemeinsam treten die beiden Musikerinnen auch bei Wettbewerben an. So holten sie erst vor wenigen Wochen beim Deutschen Akkordeon-Musikpreis den Titel in der Sparte »Kammermusik«. Iserloh gewann noch dazu in der Kategorie der professionellen Musiker mit 48,5 von 50 möglichen Punkten.
Erfolge die ihr wichtig sind, aber nicht alles bedeuten. Wichtiger als Urkunden und Kritikerlob sei ihr die Anerkennung des Publikums. »Deshalb werden meine bevorzugten Bühnen auch immer kleine Kirchen oder Klöster bleiben.«

Artikel vom 06.07.2006