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Magenta-Männer strampeln sich frei

Deutscher Tag bei der Tour: Kessler fährt vor seinem T-Mobile-Kollegen Rogers zum Sieg

Valkenburg (dpa). Etappensieger Matthias Kessler und Michael Rogers als Zweitplatzierter haben das Bonner T-Mobile-Team gestern vorerst aus den Doping-Schlagzeilen gefahren.

Der 27-jährige Nürnberger feierte seinen bisher größten Erfolg und erreichte das Ziel der dritten Etappe der 93. Tour de France nach 216,5 Kilometern in Valkenburg/Holland im Alleingang. Fünf Sekunden hinter ihm fuhr der Australier Rogers über die Ziellinie. Zusammen mit Andreas Klöden stehen Kessler und Rogers nach der Suspendierung Jan Ullrichs jetzt an der Spitze der Teamhierarchie.
Weltmeister Tom Boonen aus Belgien, der weiter auf seinen ersten Etappenerfolg wartet, entschädigte sich im Ziel der Benelux-Tour durch drei Länder bei tropischer Hitze mit dem Gelben Trikot. Der Norweger Thor Hushovd musste die Führung im Gesamtklassement abgeben. Boonen führt jetzt mit einer Sekunde vor dem dreifachen Zeitfahrweltmeister Rogers. Der Tour-Debütant Markus Fothen aus dem Gerolsteiner Team rundete den Triumph der deutschen Profis ab, indem er das Weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers holte.
»Die ersten Tage waren nicht leicht für uns - wir waren ein bisschen durcheinander. Aber wir müssen jetzt da durch, das sind wir dem Sponsor und dem Publikum schuldig. Es ist natürlich das Beste für uns, dass es jetzt so gut läuft. Wir sind auch ohne Jan ein gutes Team und wollen das beweisen. Wir sind daran interessiert, dass es positiv weitergeht. Jan ist einer meiner besten Freunde, und ich habe auch mit ihm telefoniert. Aber darüber zu sprechen, ist mir jetzt zu privat«, sagte Kessler, der bereits am Vortag durch eine Attacke auf sich aufmerksam gemacht hatte, nach seinem Befreiungsschlag.
Tragischer Held der dritten Etappe von Esch-sur-Alzette in Luxemburg nach Valkenburg in Holland war einmal mehr Jens Voigt: Der Berliner Radprofi scheiterte in einer Ausreißergruppe, die vier Kilometer vor dem Ziel nach einer Alleinfahrt über mehr als 200 Kilometern eingeholt wurde.
Kessler nahm den 800-Meter-Anstieg zum Cauberg, der auch das Finale des Frühjahrsklassikers Amstel Gold Race bildet, an der Spitze einer großen Spitzengruppe in Angriff. Verbissen kämpfte er sich zu seinem größten Triumph.
18 Kilometer vor dem Ziel schied auf tragische Weise ein weiterer Topfahrer aus: Der spanische Pro-Tour-Spitzenreiter Alejandro Valverde stürzte mitten im Feld und brach sich das rechte Schlüsselbein. Nach den suspendierten Fahrern Jan Ullrich, Ivan Basso und Francisco Mancebo ist Valverde das vierte fehlende Großkaliber in der diesjährigen Tour. »Das tut mir leid für ihn, er war einer der großen Favoriten«, sagte Kessler.
Die Strecke führte über Teile des Frühjahrsklassikers Lüttich-Bastogne-Lüttich, den im April der Valverde gewann. Das Finale war identisch mit dem Einlauf beim Amstel Gold Race.
Der 800 Meter lange Anstieg auf den von Zehntausenden belagerten Cauberg brachte die Entscheidung. Für die Gastgeber war es ein schwarzer Tag: Erik Dekker gab auf. Nach einem Sturz 54 Kilometer vor dem Ziel musste der Holländer wie auch Fred Rodriguez (USA) aussteigen.
Derweil hat die ARD gestern eine Studie vorgestellt, die den massiven Generalverdacht von Blutdoping im Profiradsport erhärtet. Sie dokumentiere »klare und in ihrem Ausmaß unerwartete Hinweise auf Blutdoping bei Radsportlern«, wie Wilhelm Schänzer, Leiter des Doping-Kontroll-Labors Köln, erklärte.
Nach seinen Erkenntnissen seien die Auffälligkeiten seit 2001/2002 sogar um fast das 40-fache gestiegen. Eigenblutdoping sei »sicherlich die Technik, mit der Sportler versuchen, das System zu unterlaufen«, meinte Schänzer.

Artikel vom 05.07.2006