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Frings für Faustschlag bestraft

Cruz-Aussage half nicht - Borowski und Kehl stehen Gewehr bei Fuß

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Berlin (WB). Den letzten Elfmeter des Viertelfinals zwischen Deutschland und Argentinien hat die FIFA geschossen und er schlug unhaltbar im Tornetz des Siegers ein. Ohne Torsten Frings muss die DFB-Auswahl heute ihr Halbfinale gegen Italien bestreiten.

Die Disziplinarkommission des Weltverbandes sah es als erwiesen an, dass der Bremer in den Tumulten im Anschluss an das Strafstoßschießen dem Argentinier Julio Cruz einen Faustschlag versetzt hat. Für das Endspiel oder die Partie um Platz drei ist Frings aber wieder ein freier Mann.
Allerdings steht er nun auf dem Überwachungsbogen der FIFA. Jede weitere Verfehlung würde Frings, der auch 5000 Franken Strafe zahlen muss, für ein halbes Jahr aus dem Verkehr ziehen.
Seinen Platz in Dortmund wird sein Bremer Kollege Tim Borowski oder Lokalmatador Sebastian Kehl bekommen. Bundestrainer Jürgen Klinsmann hat keine Bedenken, einen Austausch bei seinem Personal vornehmen zu müssen: »Wir planen immer so, dass alle Gewehr bei Fuß stehen. Wenn einer ausfällt, steht der nächste parat und macht seinen Job.«
Borowskis Vorzug ist, dass er bisher in jeder Partie mitwirkte und daher sicher besser im WM-Takt ist. »Ich kann alle Rollen im Mittelfeld übernehmen«, sagte er. Kehl gilt mehr als Spezialist für die »Sechser-Position«, die sonst Frings ausfüllt. Der »Sechser« erledigt im defensiven Mittelfeld die Arbeit vor der Abwehr und stellt dort auch den Impulsgeber der gegnerischen Mannschaft. Borowski wäre die offensivere Variante, Kehl eher dazu geeignet, um auf Nummer sicher zu gehen.
»Torsten hat Riquelme auf grandiose Weise ausgeschaltet«, hatte Klinsmann noch gestern Mittag gesagt und hinzugefügt: »Nun ist Totti dran, das ist sein nächster Job.« Damit wollte der Bundestrainer wohl heraufbeschwören, dass ihm nicht der zu WM-Hochform aufgelaufene Frings abhanden kommt. »Wir haben Torsten gesagt: Bleib locker. Konzentriere dich auf deine Aufgabe.« Stattdessen verbannte ihn die FIFA.
Um 19.23 Uhr am Sonntag hatte sich im deutschen WM-Quartier eine Botschaft aus dem Faxgerät geschält, die so nicht mehr erwartet worden war. Es würde doch noch ein Verfahren gegen einen deutschen Spieler geben. Nach Ansicht der Randalebilder vom italienischen Fernsehsender »Sky Sports« - aufgenommen mit eigener Kamera im Olympiastadion - kam die Disziplinarkommission des Weltverbandes zur Auffassung, gegen Frings zu ermitteln.
Eilig beorderte der Deutsche Fußball-Bund den Anwalt Christoph Schickhardt ins Schlosshotel Grunewald, zusammen mit dem Verbandsjustitiar Götz Eilers verfasste er bis zum Fristende um 13 Uhr gestern die DFB-Stellungnahme zum »Fall Frings«.
Als Spieler, der in seiner Mannschaft für die Verteidigung zuständig ist, will der Bremer seine Abwehrhaltung auch noch über das Spielende hinaus beibehalten haben: »Ich befand mich in einem Pulk, in dem alle wild um sich geschlagen haben und habe die Hände zum Schutz nach vorn gestreckt. Ich habe selber zwei Schläge abbekommen.« Bilder belegen eher das Gegenteil. Sie zeigen Frings, wie sich seine Faust vom ausgestreckten Arm aus verdächtig dem Kinn des Argentinieres Cruz nähert. Ob es »rumms« gemacht hat, ist nicht eindeutig ersichtlich, aber auch der Versuch schon strafbar. Cruz entlastete den deutschen Profi-Kollegen: »Ich habe keinen Faustschlag bekommen, zumindest habe ich nichts gespürt.« Der FIFA war das egal.
»Wir finden es schade, dass etwas aufgerollt wurde, was zum einen abgeschlossen war und zum anderen allein von den Argentiniern ausging. Wir waren nur die Reagierenden«, sagte Klinsmann. Am Vorhaben WM-Titel ändert sich nichts. Deutschland hat einen Spieler verloren, aber nicht das Halbfinale und elf auflaufen dürfen immer noch. Der Bundestrainer: »Der Elan ist ungebrochen.«

Artikel vom 04.07.2006