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Selecção nimmt Abschied und sagt danke

Die Klosterpforte war das perfekte Hotel, aufs Finale muss sich Portugal in Berlin vorbereiten

Von Wolfgang Wotke
und Dirk Schuster
Marienfeld (WB). 30 Tage lang stand Marienfeld Kopf. Portugals Fußball-Nationalmannschaft, die im schicken »Sporthotel 11« Quartier bezogen hatte, brachte viel mehr als nur einen Hauch der FIFA Weltmeisterschaft 2006 mit: Auf das 4600 Einwohner zählende Klosterdorf blickte vier Wochen lang die ganze Welt. Doch heute ist alles vorbei.

Gegen 10.15 Uhr fährt der Mannschaftsbus der Portugiesen mit Polizeieskorte ab. Von Paderborn aus fliegt der Halbfinalist, der morgen auf Frankreich trifft, nach München. Dort will Trainer Luiz Felipe Scolari mit seinem Team ein Wunder vollbringen. Besiegen Figo & Co. die Franzosen, steht Portugal zum ersten Mal in seiner Geschichte in einem WM-Finale.
Gestern verabschiedeten sich die Spieler und die gesamte Crew auf eine tolle Art von ihrem WM-Standort. Beim Abschlusstraining entrollten sie ein riesiges Plakat mit der Aufschrift: »Danke Hotel Klosterpforte, danke Marienfeld«.
In Marienfeld haben die Portugiesen bislang eine gute Figur abgegeben. Und auf ihrer Deutschland-Tournee, wo sie in den schönsten Stadien des Landes auftraten, nicht minder. Köln, Frankfurt, Gelsenkirchen, Nürnberg, noch mal Gelsenkirchen und jetzt München - Zufall ist es keiner, dass die europäischen Brasilianer eine Runde weiter gekommen sind als die echten Brasilianer. Fast wäre es morgen in München zum direkten Duell gekommen. Doch weil die Seleção im Viertelfinale gegen Frankreich ausschied, während die Selecção, also die mit dem doppelten ÝcÜ, in die Runde der letzten Vier einzog, heißt es hier nun: Frankreich gegen Portugal.
Der Weg in dieses Halbfinale wurde für die Iberer erst in der K.o.-Runde zur Herausforderung. Denn dass der Geheimfavorit, der seit dem Achtelfinalerfolg gegen Holland überhaupt kein bisschen mehr geheim ist, aus der Vorrundengruppe D als Sieger hervorging, entsprach den Erwartungen.
Dass jetzt sogar der Endspieleinzug möglich ist, ist das Ergebnis guter Arbeit eines Trainers von Welt, der es verstanden hat, aus seinem Sammelsurium von Weltklassespielern eine eingeschworene Gemeinschaft zu machen. Ein Erfolg, der Carlos Alberto Parreira, um beim Beispiel Brasilien zu bleiben, verwehrt blieb.
Keine Frage, der Grundstein für den bisherigen Erfolg der Portugiesen wurde aber auch in Ostwestfalen gelegt. Von Anfang an stand diese WM für Portugal unter einem guten Stern. Das Wetter spielte mit, als läge Marienfeld am Mittelmeer. Der Empfang durch die 10 000 Fans hätte nicht herzlicher sein können. Und dann war da noch das herrliche Ambiente des neuen Sporthotels der »Klosterpforte«, das nicht nur die Mannschaft samt Trainerstab, sondern auch die mehr als 250 Journalisten aus der ganzen Welt überzeugte.
Hotelier Reinold Frie hatte im Vorfeld auch ganze Arbeit geleistet. Er schneiderte sein Hotel genau auf die Wünsche seiner prominenten Gäste zu. Das gesamte Tiefgeschoss dient zur Erholung der Fußballstars: Sauna, Eiswürfelbad, ein türkisches Dampf- und ein Elektrobad, ein Fitnessraum mit genau den Geräten, auf denen die Portugiesen auch in der Heimat trainieren, sowie Räume für die medizinische Abteilung und für die Physiotherapeuten. Frie stellte sogar eine ganze Großküche zur Verfügung. Der extra eingeflogene portugiesische Sterne-Koch Hélio Loureiro verwöhnte seine Landsleute vom Feinsten. Immer wieder betonte Coach Scolari, wie wohl sich alle in Marienfeld fühlten. »Es ist traumhaft schön hier. Besser kann man während einer Weltmeisterschaft nicht aufgehoben sein«, verkündete der 57-jährige Brasilianer, der, wenn er verschmitzt lacht, dem amerikanischen Hollywood-Star Gene Hackmann sehr ähnlich sieht. »Beim Abschied werden wir bestimmt feuchte Augen bekommen. Diese Zeit bleibt für meine Mitarbeiter, für meine Familie und für mich unvergessen«, sagte gestern ein trauriger Hotelchef. Frie reist dem Team nach München hinterher.

Artikel vom 04.07.2006