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Des Kaisers
tolle Kleider

Fotos von Wilhelm II. in Kiel

Kiel (dpa). Ein Vordenker des PR-Geschäfts, ein Medienstar, ein Meister der Illusion: Der deutsche Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) war schon ein Profi der Mediengesellschaft, bevor es sie überhaupt gab. Eine Besucherin betrachtet ein Porträt des Kaisers.Foto: dpa

Nur um die großen Diktatoren des 20. Jahrhunderts wie Hitler, Stalin oder Mao rankte sich ein ähnlicher Personenkult wie um den Spross des Hohenzollerngeschlechts. Allein etwa 12000 Fotografien ließ sich Wilhelm II. nach seiner Abdankung 1918 ins niederländische Exil nachschicken. Eine Auswahl seiner Porträts zeigt bis Ende September eine Schau von 300 Fotos im Stadtmuseum Kiel.
Da ist der schneidige Kriegsherr mit geschmückter Pickelhaube, der umjubelte Herrscher bei der Denkmalsenthüllung, der treusorgende Familienvater im Kreise seiner Lieben - alles inszenierte Motive. »Wilhelm II. war der allererste Medienstar«, sagt Museumsleiterin Kerstin Dronske. Wie ein Schauspieler wechselte der Kaiser ständig Bühne und Kostüm für seine Auftritte. Denn als Kaiser durfte er die Uniform jedes Truppenteils tragen. Bis zu sechs Mal am Tag zeigte er sich in einer neuen Uniform. »Er war außerordentlich modern, was Öffentlichkeitsarbeit angeht,« sagt Dronske.
Viele versteckte Finessen gilt es auf den Bildern zu entdecken. So wusste Wilhelm II. sein größtes Handicap, das Ursprung seines krankhaften Geltungsdrangs gewesen sein mag, gekonnt zu verbergen: Der als Geburtsfehler verkürzte linke Arm wird stets optisch überspielt. Mal streckt der Kaiser stolz seine rechte Körperhälfte vor und winkelt den Arm nach hinten. Auf einem anderen Bild hat Wilhelm II. ein Paar weiße Handschuhe in der Hand, die das Auge betrügen und den Arm optisch verlängern. »Bei allen Uniformen wurde der linke Arm um 15 Zentimeter kürzer als der rechte geschneidert«, erläutert die Museumsleiterin. Eines der asymmetrischen Stücke ist in Kiel zu sehen. Die bedeutendsten Hoffotografen der wilhelminischen Zeit - von Thomas Heinrich Voigt über Max Ziesler, Ottomar Anschütz bis hin zu Franz und Oscar Tellgmann - begleiteten den Kaiser. Berater im Hofmarschallamt bestimmten später, welche Motive über Postkarten oder Zeitungen das Volk erreichten.
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Artikel vom 03.07.2006