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Studentin vor
Gericht wegen
BAFöG-Betrugs

Angehende Lehrerin siegt vor OLG

Von Christian Althoff
Herford (WB). Eine angehende Lehrerin aus Herford, die wegen BAFöG-Betruges zu 800 Euro Geldstrafe verurteilt worden war, kann wieder hoffen: Das Oberlandesgericht Hamm hat jetzt das Urteil aufgehoben und einen neuen Prozess angeordnet - den nunmehr dritten in dieser Sache.

Christine W. (26) studiert an der Uni Bielefeld im neunten Semester Deutsch, Mathematik und Französisch. 2001 hatte sie beim Studentenwerk erstmals einen Antrag auf Ausbildungsförderung gestellt. Die Frau gab an, ihr Vater sei verstorben und ihre Mutter beziehe eine Rente von 470 Euro. Sie selbst verfüge über keinerlei Vermögen. Tatsächlich jedoch war Christine W. bei drei Geldinstituten Inhaberin von insgesamt zehn Konten, auf denen zusammen etwa 90 000 Euro lagen.
In Unkenntnis dieses Geldes gewährte das Studentenwerk der angehenden Lehrerin monatlich 482 Euro, wobei eine Hälfte als unverzinsliches Darlehn gezahlt wurde. Jahrelang blieb das Vermögen auf den Konten unentdeckt - bis ein Datenabgleich zwischen dem Studentenwerk und dem Bundesamt für Finanzen ergab, dass die Frau für ihre Konten Freistellungsaufträge erteilt hatte.
Das Studentenwerk forderte daraufhin die Frau auf, ihr gesamtes Kapitalvermögen offenzulegen. Das tat die Frau jedoch nicht, sondern überwies die Guthaben an ihre Mutter. Die nunmehr vom Studentenwerk zurückgeforderten 11 500 Euro erstattete die 26-Jährige.
Das Studentenwerk erstattete Anzeige. Im Prozess argumentierte die Herforderin, das Vermögen habe schon immer ihrer Mutter gehört. Es sei nur auf ihren Konten geparkt worden, um es vor dem Finanzamt verborgen zu halten. Deshalb sei ihre Auskunft bei der BAFöG-Beantragung, kein Vermögen zu besitzen, wahrheitsgemäß gewesen. Das sah das Amtsgericht Bielfeld anders: Für das Studentenwerk komme es nämlich nicht darauf an, wem das jeweilige Vermögen gehöre. Entscheidend sei nur, wer Zugriff auf das Geld habe, und den habe die Studentin gehabt, da es ihre Konten gewesen seien, schrieb der Richter in sein Urteil.
Das Landgericht Bielefeld bestätigte die Verurteilung, doch Rechtsanwalt Dr. Detlev Binder ging beim Oberlandesgericht Hamm in Revision und hatte Erfolg. Neben anderem hatte er bemängelt, dass die Gerichte überhaupt nicht geklärt hatten, ob die Zinseinkünfte der Mutter tatsächlich so hoch waren, dass Christine W. wirklich keinen Anspruch auf BAFöG gehabt hätte.
Die Richter in Hamm folgten den Bedenken des Strafverteidigers. Sie hoben das Urteil auf und verwiesen den Fall zurück ans Landgericht. Sie befanden, die Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Vermögensauskunft beziehe sich nur auf eigenes Geld. Nirgendwo sei belegt, dass Christine W. gewusst habe, dass das Studentenwerk ihr dieses Geld zurechne, nur weil es auf ihren Konten lagerte. Az.: 3Ss7/06

Artikel vom 03.07.2006