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Schlaflos am Sternenhimmel
Eine etwas verdrehte Gute-Nacht-Geschichte von Sabine Stehr
Sternchen Sturm wälzte sich auf seiner Kuschelwolke hin und her, denn es konnte nicht einschlafen. Es kniff die Augen zu, zog vorsichtshalber noch ein bisschen Wolkenwatte vor sein Gesicht und versuchte es erneut. Aber es war wie verhext. Seit drei Tagen bekam der kleine Sausestern einfach kein Auge mehr zu. »So kann es nicht weitergehen«, schimpfte er und beschloss, am nächsten Abend schlummrige Einschlaftipps von den Menschen zu sammeln.
So trudelte er nach dem Aufstehen auf die Erde hinab und plumpste ganz glanzlos in einen Kastanienbaum. Glücklicherweise stand dieser vor einem Mehrfamilienhaus in dem viele Menschen wohnten, und so spitzte Sternchen Sturm seine Ohren und lauschte. Sterne können sehr gut hören, auch durch Wände hindurch, und so hörte er die Unterhaltungen der Menschen vorm Zubettgehen mit an.
Immer wenn jemand irgendetwas über das Einschlafen sagte, versuchte Sternchen Sturm, die Ratschläge auf seinem Notizblock festzuhalten. Das aber war gar nicht so einfach, denn zum einen war der kleine Stern wegen seiner Müdigkeit ziemlich langsam beim Schreiben, zum anderen hört er ja durch alle Wände gleichzeitig. Man kann sich vorstellen, dass dies ein ganz schön großes Stimmengewirr ergab. Sternchen Sturm schrieb und kritzelte, so dass er kaum bemerkte, wie die Nacht verging. Als der Mond an ihm vorbeizog, schreckte er auf.
»So spät ist es schon«, gähnte er und machte sich auf den Heimweg. Er freute sich, mit Hilfe der zahlreichen Ratschläge an diesem Tag endlich mal wieder gut zu schlafen. Nachdem er sich mit geputzten Zähnen in seine weiche Wolkenwatte gekuschelt hatte, nahm er sich seine Notizen vor. Er las die erste Seite und schüttelte den Kopf.
»Beim mächtigen Meteoriten, was ist denn das für ein Quatsch?«, murmelte er und las sich die Ratschläge der Menschen noch einmal durch. »Mit Schäfchen in die warme Wanne gehen und Milchgläser zählen«, stand in kritzeliger Schrift auf der ersten Seite.
Sternchen Sturm schüttelte seine Zacken, blätterte um: »Zerdrückten Bananen Einschlaflieder vorsingen und dabei das Fenster öffnen«, las er. »Das kann doch wohl nicht wahr sein!« Und als er auf der dritten Seite den Ratschlag fand, zum Einschlafen im Schneidersitz langweiligen Lavendeltee zu trinken und dabei rückwärts zu zählen, warf er seinen Notizblock von der Wolke.
Machen die Menschen wirklich so komische Dinge, um einschlafen zu können? fragte er sich, als der Sandmann vorbei kam. »Brauchst du etwas Schlafsand? Du siehst so müde aus«, fragte dieser. Der Stern nickte. Wäre er auf diese Idee schon eher gekommen, hätte er sich die seltsamen Tipps sparen können. »Wirklich komisch, die MenschenÉ «, dachte Sternchen Sturm und schlief ein.

Artikel vom 22.07.2006