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Verliebt in die mystischen Bilder

Galerist Karl Eisenlauer stellt Ikonen im Brackweder Rathauspavillon aus

Von Stefanie Westing
(Text und Fotos)
Brackwede (WB). Wenn der Laie eine Ikone betrachtet, sieht er ein religiöses Motiv, teilweise mehrere 100 Jahre alt. Wenn Karl Eisenlauer eine Ikone betrachtet, erschließt sich ihm gleich eine ganze Geschichte. Denn der Galerist aus Autenried in Bayern ist ein anerkannter Experte für das »Abbild vom Urbild« - so die Übersetzung des Wortes »Ikone«. Am Wochenende konnten alle Interessierten im Brackweder Rathauspavillon einen Ausflug in die Welt der Kultbilder der Ostkirchen machen.

Mehr als 100 Werke hat Eisenlauer mit nach Brackwede gebracht. Das älteste Stück stammt aus der Zeit um 1600 und zeigt die Gottesmutter Vladimirskaya. »Eine Klosterarbeit aus dem Norden Russlands, besetzt mit mehr als 2000 Glasperlen und auf Leder gebundenen Halbedelsteinen«, weiß Eisenlauer. Wollte man das Bild erstehen, müssten man tief in die Tasche greifen: 16 000 Euro sei es wert, sagt der Experte.
Er beschäftigt sich seit langer Zeit mit den kirchlich geweihten Bildern, die für die Theologie und Spiritualität der Ostkirchen eine sehr große Bedeutung haben. Ihr Zweck ist es, Ehrfurcht zu erwecken und eine existenzielle Verbindung zwischen dem Betrachter und dem Dargestellten zu sein, indirekt auch zwischen dem Betrachter und Gott. »Für die orthodoxen Gläubigen spielt es keine Rolle, ob eine Ikone 300 Jahre alt ist, ob es sich um ein Foto oder einen Druck handelt. Nur bei uns im Westen achten die Leute auf die Qualität.«
Vieles von dem, was Eisenlauer über Ikonen weiß, hat er vom griechisch-orthodoxen Erzbischof Boris Rothemund erfahren: »Der kam vor 47 Jahren von München nach Autenried, kaufte das Schloss und richtete eine orthodoxe Kirche ein. Er hatte 2000 Ikonen - serbische, russische, griechische. Ich war als junger Mensch im Schloss tätig, habe später den Bischof durch die Gegend gefahren. Als Katholik habe ich mich in die mystischen Bilder irgendwie verliebt.«
Der Bischof wies den jungen Karl Eisenlauer ein in die Welt der Ikonen. »Mit 26 Jahren habe ich mich dann selbstständig gemacht.« Heute hat er gute Beziehungen, so dass er nicht selbst durch die osteuropäische Welt fahren muss, um nach spannenden Werken zu suchen: »Die Leute kommen zu mir. Ich bekommen immer mal wieder Ikonen, zum Beispiel aus Sammlungen, zum Kauf angeboten oder verkaufe sie auf Kommission.«
Kunden hat er weit über die Grenzen Autenrieds hinaus - unter anderem auch in Bielefeld. Vor drei Jahren war Eisenlauer schon einmal in Brackwede, um seine schönsten Stücke auszustellen. Nun war er wieder zu Gast. Dabei hatte er auch sehr seltene Arbeiten, zum Beispiel so genannte Staurothek-Ikonen mit einem eingelassenen Kreuz. Eine Ikone aus Kiew, etwa 150 Jahre alt, war ihrer Zeit bereits weit voraus: Beim letzten Abendmahl sitzt Maria Magdalena neben Jesus. »Bei den altgläubigen Griechen wäre das nicht vorgekommen, da hatten Frauen am Tisch nichts zu suchen«, sagt Eisenlauer. Er weiß alles, wenn es um Ikonen geht - zum Beispiel auch, dass derzeit Monatsikonen stark nachgefragt sind, ebenso Festtagsikonen und ausgefallene Stücke - Engelsikonen, Christusikonen und dreiteilige Werke, so genannte Triptychons. »Nicht mehr angesagt ist dagegen das abgeschlagene Haupt von Johannes«, sagt der Galerist. »Die Zeit ist vorbei.«

Artikel vom 03.07.2006