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Jan Ullrich darf nicht
bei der Tour starten

Alle Favoriten aus dem Rennen: 21 Profis suspendiert

Plobsheim (WB/dpa). Jan Ullrich steht vor dem Scherbenhaufen seiner wechselvollen Karriere, der Profiradsport zum Auftakt der Tour de France vor dem bisher größten Dopingskandal seiner Geschichte.

Einen Tag vor der 93. Auflage hat die in Spanien aufgedeckte Affäre die Radsportwelt in ihren Grundfesten erschüttert. Die Frankreich-Rundfahrt an diesem Samstag beginnt ohne ihre in die Affäre verwickelten Topstars Ullrich und Ivan Basso (Italien/Team CSC). Außerdem bekamen am Freitag insgesamt 21 Fahrer, darunter Oscar Sevilla und Francisco Mancebo (beide Spanien) sowie die fünf Fahrer vom Team Astana-Würth, Joseba Beloki, Alberto Contador, Isidro Nozal (alle Spanien), Sergio Paulinho (Portugal) und der Australier Allan Davis, die rote Karte.
Ullrich beteuerte erneut seine Unschuld. »Ich bin in einem absoluten Schockzustand«, sagte er am frühen Freitagabend im ZDF. »Das ist das Schlimmste, was mir in meiner Karriere bisher passiert ist.« Er sehe sich als Opfer und werde versuchen, seine Unschuld mit Hilfe eines Anwalts zu beweisen. »Ich kann nur sagen, dass ich nach wie vor nichts mit der Sache zu tun habe.« Er könne heulen, weil er jetzt nach Hause fahren müsse und brauche erst ein paar Tage Ruhe, um alles zu verkraften.
Die aus den Polizeiakten ersichtlichen Indizien hingegen sprechen offenbar eine andere Sprache. Laut T-Mobile-Sprecher Stefan Wagner ließen sie »keine andere Interpretation zu«, als dass Teamchef Rudy Pevenage Kontakt zu dem spanischen Mediziner Eufemiano Fuentes hatte, gegen den die spanische Justiz ermittelt.
Die Tour-Verantwortlichen scheinen acht Jahre nach dem Festina-Skandal gewillt zu sein, den Dopingsumpf trockenzulegen. »Wir haben jetzt die Chance auf eine wirklich andere Tour«, sagte am Freitag ihr Direktor Christian Prudhomme. Ullrich und Sevilla wurden vom eigenen T-Mobile-Team suspendiert, die anderen nach einem Beschluss der Vereinigung aller sportlicher Leiter. Erst danach suspendierte auch CSC-Manager Bjarne Riis den Giro-Gewinner Basso bis auf weiteres. Die nicht zugelassenen Fahrer dürfen nach Prudhommes Worten nicht ersetzt werden, so dass T-Mobile mit sieben Profis antreten muss. Das erst am Donnerstag nach Intervention des Internationalen Sportgerichtshofes CAS wieder zugelassene Astana-Würth-Team soll ebenso wie das bereits suspendierte Team Valenciana überhaupt nicht starten. Damit gehen nur 19 statt 21 Teams an den Start.
Sofort kursierten am Freitag Gerüchte, T-Mobile werde sich nach dem Desaster sofort aus dem Radsport verabschieden. Nach Informationen des Steinhagener T-Mobile-Fahrers Jörg Ludewig wolle das Bonner Unternehmen sein bis 2008 zugesichertes Engagement im Profiradsport einhalten.
Andere Firmen, die mit dem Radsport ihre Geschäfte machen, handelten jedoch sofort: Der staatliche Wettanbieter Oddset stoppte am Freitag sämtliche Tour-Wetten. Die TV-Anstalten ARD/ZDF und Eurosport kündigten an, vorerst an der vorgesehenen Live-Berichterstattung von der Tour festhalten zu wollen.

Artikel vom 01.07.2006