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Ein Foto-Mann
und seine Tiere
Thorsten Milse - preisgekrönter Bildkünstler aus Bielefeld
Ohne Fotoapparat verlässt Thorsten Milse nur selten das Haus. Neben Lebensgefährtin Stephanie, die seine Leidenschaft praktischerweise teilt und in ihrer Freizeit genauso gern auf den Auslöser drückt, bestimmt die Kamera das Leben des 40-Jährigen. Sie ist sein wichtigstes Arbeitsmittel und verhalf ihm zu einer bemerkenswerten Karriere vom Hobby- zum international anerkannten Naturfotografen.
Die ersten Belichtungen dieser Art machte der gelernte Elektrotechniker vor etwa 15 Jahren im Garten seiner Eltern. Seitdem suchte er sich stets solche Urlaubsziele aus, die möglichst viel unberührte Natur und noch viel mehr Tiere zu bieten haben.
Australien hat ihn bisher landschaftlich am meisten fasziniert. Je wilder und exotischer, desto besser! Natürlich könne er auch in den Zoo gehen, um Exotisches zu sehen. Aber das sei nicht dasselbe, sagt Milse. »Viel interessanter ist es, die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung aufzuspüren.«
Das kann manchmal Stunden, ja sogar Tage dauern. Ohne Geduld und Ausdauer läuft da gar nichts. Mitunter reichen noch nicht einmal diese Tugenden aus, um gute Bilder zu bekommen. Wenn er zum Beispiel in der Wildnis Kanadas auf Fotopirsch geht und stundenlang bei Temperaturen unter minus 40û Celsius auf der Lauer liegt, ist vier- oder mehrlagige Kleidung mindestens genauso wichtig.
Von Kopf bis Fuß dick eingemummelt, so dass nur noch das Gesicht zu sehen ist, muss Milse meist tagelang in der Kälte darauf warten, dass sich seine Motive, die Eisbären, überhaupt zeigen. Mit viel Glück sind ihm so einige sensationelle »Schüsse« gelungen, die sein Leben verändert haben.
Nicht nur, weil seine absoluten Lieblingstiermotive nun definitiv Eisbärenkinder sind. Sondern auch, weil sich ihm plötzlich ganz neue berufliche Möglichkeiten eröffneten. Aus Urlaubsreisen wurden mehr und mehr Arbeitsreisen, nachdem er 2005 mit seinen Bärenbaby-Bildern zwei Preise bei weltweit renommierten Fotowettbewerben gewonnen hatte.
Die ausgezeichneten Motive entstanden im »Wapusk Nationalpark«, der etwa 70 Kilometer südöstlich der Hudson Bay in der kanadischen Provinz Manitoba liegt. Hier bringen jährlich hunderte Eisbären-Mütter ihren Nachwuchs zur Welt und päppeln ihn einige Wochen lang auf, bevor es im Frühjahr zurück zur Hudson Bay geht, wo das Jagdrevier dieser größten Landraubtiere der Erde ist.
Im Februar/März verlassen die tapsigen kleinen Pelztiere unter Aufsicht ihrer Mütter zum ersten Mal die Geburtshöhlen. Draußen wartet auf sie nicht nur die eiskalte Realität, sondern immer öfter auch Thorsten Milse.
Seit vier Jahren reist der Fotograf nun schon regelmäßig auf den nordamerikanischen Kontinent, um sich von einheimischen Cree-Indianern zu den kleinen Eisbären führen zu lassen. Während ihm im vergangenen Jahr niedliche Zwillingspärchen in sicherer Entfernung von 100 Metern vor der Linse herumstolperten, konnte er 2006 erstmals auch eine der seltenen Drillingsfamilien fotografieren.
In solchen Momenten hat sich das antrengende Warten gelohnt. »So richtig verarbeiten kann ich das Gesehene allerdings oft erst zu Hause«, verrät er. »Man muss sich so auf das Fotografieren konzentrieren, dass zum Genießen kaum Zeit bleibt.« Schließlich kann das äußerst bewegliche Motiv innerhalb von Sekunden schon wieder verschwunden sein.
Thorsten Milse, der nebenbei als Berater in einem Bielefelder Fotogeschäft arbeitet, hat inzwischen so viele Fotos von Eisbärenjungen gemacht, dass es für ein ganzes »Buch mit Knuddelfaktor« reicht. Und so erscheint am 15. Juli im Münchner Bucher Verlag sein erster Bildband mit dem Titel »Kleine Eisbären«.
Während der Autor noch von den erfrischenden Erlebnissen im Schnee schwärmt, beschäftigen ihn bereits neue Projekte. Gerade erst kam er von einem vierwöchigen Trip aus Indien zurück, wo er mit »dem besten Tiger-Kenner der Welt« auf Safari unterwegs war. Raubkatzen sind nämlich sein zweitliebstes Fotomotiv. Nachdem er bereits Leoparden, Löwen, Geparden und Tiger aus nächster Nähe gesehen hat, würde er nun zu gern mal einen Jaguar oder einen Sibirischen Tiger »richtig gut fotografieren«.
Doch die müssen warten, denn vorher wird er im Oktober zusammen mit seiner Freundin zu einer Expedition in die Antarktis aufbrechen, um Aufnahmen von Kaiserpinguinen und bizarren Eislandschaften zu machen. Nur einen Monat später zieht es ihn wieder nach Kanada, um zur Abwechslung mal nur die größeren Eisbären abzulichten. Und im nächsten Februar will er dann zum fünften Mal die Eisbärenkinder im Nationalpark besuchen.
Im Sommer 2007 stehen zwei weitere Reisen in kalte Regionen in seinem Terminkalender. Der Ostwestfale darf als Foto- und Eisbär-Experte zwei Kreuzfahrten begleiten. Die erste führt ihn mit der »MS Stockholm« rund um Spitzbergen, die zweite auf der »MS Bremen« in die kanadische Arktis.
Es scheint ihm nichts auszumachen, ständig in die Kälte zu reisen: »Passend angezogen ist das ja auch überhaupt kein Problem. Hitze finde ich unangenehmer, weil man so schnell ermattet und dann auch noch mit lästigen Insekten zu kämpfen hat«, sagt Frischluft-Freund Thorsten, der bei ungemütlichen 18û Celsius in heimischen Gefilden noch lange nicht daran denkt, sich eine Jacke überzuziehen. Kerstin Heyde
www.kleine-eisbaeren.de

Artikel vom 08.07.2006