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»Gerecht« die
Bibel übersetzt

Gott ist nicht länger »der Herr«

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Bei der Frankfurter Buchmesse im Oktober wird die »Bibel in gerechter Sprache« vorgestellt. Alle 2400 Seiten des Alten und Neuen Testaments seien neu übersetzt, sagte die Mitherausgeberin Marlene Crüsemann aus Bielefeld gestern dieser Zeitung.

Fünf Jahre lang nahmen sich 52 Bibelwissenschaftler, 42 Frauen und zehn Männer, die hebräischen und griechischen Originaltexte vor. Sie übersetzten sie so, dass die Rolle der Frauen, das Verhältnis zwischen Juden und Christen sowie die sozialen Verhältnisse im Buch der Bücher deutlicher und verständlicher werden sollen. Die »Bibel in gerechter Sprache« wird vom »Gütersloher Verlagshaus« in einer Erstauflage von 10 000 Exemplaren gedruckt und kostet 24,95 Euro. »Schon jetzt ist die Nachfrage groß«, erklärt die freiberufliche Theologin Crüsemann.
Zum zehnköpfigen Herausgeber-Team gehören mit ihrem Mann Frank Crüsemann (Professor für Altes Testament, Bielefeld), Helga Kuhlmann (Professorin für Systematische Theologie und Ökumene, Paderborn) und Martin Leutzsch (Professor für Biblische Theologie, Paderborn) drei weitere Wissenschaftler aus Ostwestfalen. Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau koordinierte das Projekt. Einzelpersonen, Kirchengruppen und Institutionen spendeten dafür mehr als 390 000 Euro. In der Kirchlichen Hochschule Bethel wurden am Mittwoch Übersetzungen vorgestellt.
»Unser Anliegen bestand nicht darin, Luther zu verbessern, sondern die Übersetzung soll an die Seite der bereits existierenden treten und den Dialog mit ihnen fördern«, erläutert Marlene Crüsemann. Die Wissenschaftler störte die Bezeichnung »Herr« als Synonym für Gott. Obwohl über den Geschlechtern stehend, werde so die Männlichkeit Gottes festgeschrieben. Gott habe einen Namen, und so bietet die »gerechte« Übersetzung den Lesern zum Beispiel an: »Adonaj«, »die Lebendige« oder »der Ewige«.
Statt »Geist Gottes« prägte die Marburger Privatdozentin für Neues Testament, Claudia Janssen, das Wort »Geistkraft«. Denn während meist von dem Geist (männlich) gesprochen werde, finde sich im Griechischen das Neutrum »pneuma« und im Hebräischen das weibliche »ruach«. Geistkraft mache sichtbar, dass der Geist Gottes keine Person, sondern ein dynamischer Prozess sei.
In der »Bibel in gerechter Sprache« findet sich die »Jüngerin« genauso wie die »Apostelin«. Es werden die jüdische Herkunft Jesu betont und die Herrschaftsverhältnisse beschrieben. Das Buch eigne sich für Schule und Studium sowie für die Arbeit in Kirchengemeinden, sagte Crüsemann.

Artikel vom 30.06.2006