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Experiment Eriksson ist gescheitert

Bye, bye England: Rot für Rooney - Kapitän Beckham geht von Bord

Gelsenkirchen (WB/klü). »One Nation. One Trophy. Eleven Lions.« Das steht auf dem Mannschaftsbus der Engländer, der in Gelsenkirchen vom Parkplatz rollte. Bye, bye.

Ohne die große Fußballnation England geht die WM in ihre entscheidende Phase. Der Pokal war natürlich auch nicht an Bord - statt dessen blickten zahnlose Löwen aus dem Fenster. Nicht nur elf, gleich 23. »Wir haben versagt, wir haben unsere Fans schwer enttäuscht«, bekannte Trainer Sven-Göran Eriksson, für den es eine doppelte Abschiedsvorstellung war. Der Schwede räumt die Bank von England, hat aber viel auf dem Konto. Denn die vorzeitige Vertragsauflösung ließ er sich mit sieben Millionen Euro honorieren.
Eine weltmeisterliche Gage für höchst dürftige WM-Auftritte. Eriksson hat es nicht geschafft, aus diesem so stark besetzten Aufgebot eine Mannschaft zu formen. Viele bekannte Gesichter, aber eine Elf ohne Gesicht. David Beckham, der Prominenteste, spuckte vor Wochen noch große Töne: »Wir sind so stark wie seit 40 Jahren nicht mehr. Wir können den Titel holen.« Im Viertelfinale gegen Portugal hatte Beckham seine beste Szene, als er vor dem Anpfiff den Aufruf gegen Rassismus verlesen durfte. Danach kam wenig, nach 51 Minuten wurde er angeschlagen ausgewechselt, saß mit Tränen in den Augen auf der Bank und zog Konsequenzen: Er trat als Kapitän zurück.
Die hoch eingeschätzten Frank Lampard und Steven Gerrard (»Ich fühle mich hundeelend«) konnten das Fußballschiff an diesem Tag aber auch nicht steuern. Und ausgerechnet der Stürmer, auf den Eriksson so gesetzt hatte, sah rot. Zuerst trat Wayne Rooney über den Ball, kurz danach traf er dafür Ricardo Carvalho. Ab Minute 63 hieß es 10 gegen 11. Der Trainer ärgerte sich: »Der blöde Platzverweis war bitter. Ein Mann weniger - das kostete zuviel Energie.« Wortlos kletterte Rooney in den Bus, mit einem blauen Müllsack auf dem Rücken.
England, ein »Abfall-Produkt« der WM 2006. Kein gutes Spiel - und immer noch keine guten Nerven, wenn Elfmeter geschossen werden müssen. Wie bei der WM 1990 und 1998, wie bei der EM 1996 und 2004. Jetzt, in Gelsenkirchen, traf nur der Bayern-Profi Owen Hargreaves. »Dabei haben wir in den letzten Wochen immer wieder Elfmeter geübt«, erklärte der enttäuschte Trainer.
Vergeblich. Gescheitert. Wie das gesamte »Experiment Eriksson«. Erstmals hatten die Engländer einen Ausländer verpflichtet. Auch er brachte die Erfinder des Fußballs nicht weiter nach vorn.

Artikel vom 03.07.2006