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Das Werk des unermüdlichen Titanen

Der deutsche Komponist Hans Werner Henze wird an diesem Samstag 80 Jahre alt

Von Uta Jostwerner
Gütersloh/Rom (WB). Es ist das Feiern eines unermüdlichen Titanen. In sechs Jahrzehnten schuf Hans Werner Henze ein gigantisches, mehr als 130 Arbeiten umfassendes Werk. Darunter Opern, Ballettmusiken, Sinfonien, Konzerte, Lieder und Filmmusik. Anlässlich seines 80. Geburtstags an diesem Samstag wird Henze, der berühmteste und prominenteste deutsche Komponist, weltweit gewürdigt.

Geboren und aufgewachsen in Gütersloh, zog es Hans Werner Henze früh fort aus Ostwestfalen. Nach ersten Kompositionsversuchen während des Krieges studiert er bei Wolfgang Fortner in Heidelberg und Rene Leibowitz in Paris. Begeistert reagiert der damals 22-Jährige, als er in Darmstadt Schönbergs »Lehre der Komposition mit zwölf Tönen« kennenlernt.
Doch Henze, seit jeher eigenwillig in seiner Kunst, ging rasch auf Distanz zur neuen Musik. »Ich wollte meinen Weg allein gehen, wollte keiner Schule, keiner Gruppe angehören«, bekennt der freiheitsliebende Komponist, der 1953 dem Muff der Nachkriegs-Bundesrepublik entfloh und nach Italien auswanderte.
Da war seine Liebe zum Theater bereits gefestigt. Dass Henze später vor allem zu einem Opern- und Ballett-Komponisten wurde, kommt nicht von ungefähr: 1945 beginnt seine Opernlaufbahn als Korreptitor am Stadttheater Bielefeld. 1949 arbeitete er an Heinz Hilperts Deutschem Theater in Konstanz, von 1950 bis 1952 hatte der Mittzwanziger schon die künstlerische und musikalische Leitung des Balletts am Hessischen Staatstheater Wiesbaden inne. Er dirigierte, inszenierte und komponierte.
Durch die Arbeit mit Schauspielern, Tänzern und Musikern lernte er das Theater von innen kennen. Kein Wunder, dass er 25-jährig schon eine Oper geschrieben hatte: den »Boulevard Solitude« - eine Mischung aus Sprechtheater, Pantomine, Ballett und Oper. Die ersten großen Erfolge erzielte Henze aber erst nach seiner Emigration nach Italien: Mit dem Ballett »Undine« (1958), den Opern »Der Prinz von Homburg« (1960), »Der junge Lord« (1965) und vor allem mit »Die Bassariden« (1966).
Tonalität, freie Atonalität, serielle und andere Methoden verwendet Henze ebenso sicher, wie er die Klangwelt des effektvoll instrumentierten spätromantischen Orchester beherrscht. Auffallend ist die Farbigkeit seiner Musik, ferner ihr starkes Espressivo.
Gegen Ende der 60er Jahre vollzieht Henze eine Wende und bevorzugt seither sozialkritische Stoffe für seine Werke. Seit dieser Zeit gilt er als politischer Künstler, der seine Musik in den Dienst der Gesellschaft stellt. Nach dem Hamburger Skandal um das Che Guevara gewidmete Oratorium »Das Floß der Medusa« machte der deutsche Musikbetrieb lange einen Bogen um Henze.
Doch Erfolge stellten sich auch wieder ein: 1990 das Musikdrama »Das verratene Meer«, 1993 in Boston die Uraufführung seiner 8. Sinfonie. An internationaler Anerkennung mangelt es Hans Werner Henze weiß Gott nicht, und die Liste seiner Auszeichnungen, Preise und Ehrendoktortitel füllt ganze Seiten.
Und noch immer ist er als Komponist aktiv. »Ich bin dabei, meine neue Oper Fedra zu komponieren«, sagt Henze. Die soll im Herbst in Berlin uraufgeführt werden. Zum Geburtstag würdigt man ihn mit einem Konzert in Rom. Zudem erklingt eine Neufassung von »Das verratene Meer« an der Deutschen Oper in Berlin.

Artikel vom 01.07.2006