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Ohne Vogts noch auf dem Surfbrett

Ehemaliger Bundestrainer lobt Klinsmanns Arbeit in den höchsten Tönen

Berlin (dpa). Jürgen Klinsmann steht bei seiner größten Bewährungsprobe als Bundestrainer wie nie im Fokus der Weltöffentlichkeit, sein Entdecker fiebert im Hintergrund mit.
»Ich drücke Jürgen und vor allem der Mannschaft weiterhin die Daumen, dass wir wirklich Weltmeister werden«, sagte der ehemalige Bundestrainer Berti Vogts, der maßgeblich daran beteiligt war, den Wahl-Kalifornier ins DFB-Boot zu holen. »Ohne mich wäre Jürgen Klinsmann heute noch mit dem Surfbrett unterwegs«, scherzte Vogts, der während der WM Spielbeobachtungen für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) koordiniert.
Beim Barbecue hatte Klinsmann seinem früheren Coach vor zwei Jahren nach Rudi Völlers EM-Debakel im sonnigen Los Angeles seine Fußball-Visionen vorgestellt. Vogts war gleich überzeugt, griff zum Telefon und rief beim DFB an. Spätestens nach dem mitreißenden 2:0 gegen Schweden sieht er sich in seiner damaligen Einschätzung bestätigt. »In den zurückliegenden zehn Jahren hat keine deutsche Nationalelf so aggressiv und erfrischend gespielt wie unsere Mannschaft in den ersten 45 Minuten«, sagte Vogts. »Wenn wir es schaffen, das gegen Argentinien über 70 Minuten zu wiederholen, dann haben wir sehr, sehr große Chancen ins Halbfinale vorzustoßen.« Sein Tipp: 2:1 für Deutschland.
Für Klinsmann und sein Team kommt es nun zur weltmeisterlichen Reifeprüfung, für die der detailversessene Bundestrainer noch penibler als Vogts in seiner achtjährigen Amtszeit alles durchgeplant hat. »Wir haben einen Vorteil: Wir kennen die Stärken der argentinischen Mannschaft, wir kennen die Stärken aller argentinischen Spieler, aber der argentinische Trainer kennt nicht die Stärken der deutschen Mannschaft«, behauptet Vogts, der 1996 als Bundestrainer den EM-Titel mit Kapitän Klinsmann feierte. Das erste Kennenlernen der beiden lag da schon 17 Jahre zurück: Im Januar 1979 war Vogts als Nachwuchstrainer zum DFB gekommen, die U-16-Junioren hatten ein Freundschaftsturnier an der Algarve. Danach kreuzten sich ihre Wege immer wieder.
Sollte Klinsmann nach der WM weitermachen, darf der Wohnsitz nach Auffassung von Vogts kein Thema sein. »Es hat doch gar nichts damit zu tun, wo einer wohnt. Entscheidend ist, wie er seine Arbeit verrichtet«, erklärte der 59-Jährige. »Jürgen war immer am Nabel des Weltfußballs. Er war viel näher an der Weltelite als mancher Trainer in Deutschland. Ich fand die gesamten Diskussionen nicht gerechtfertigt.« Man habe Klinsmann »sehr viel Unrecht getan in Deutschland«.

Artikel vom 30.06.2006