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Risiko für Mutter und Kind
bleibt zu oft unentdeckt

Diabetes entwickelt sich während der Schwangerschaft

Bielefeld (hu). Diabetes entwickelt sich immer mehr zur Volkskrankheit. Dass jedoch auch Frauen während der Schwangerschaft eine besondere Form des Diabetes entwickeln können, ist vielen werdenden Müttern nicht bewusst. Dabei geht von Schwangerschaftsdiabetes ein erhebliches Risiko aus - mit Langzeitfolgen für das Kind, erklärt Priv.-Doz. Dr. Andreas Luttkus, Chefarzt der Frauenklinik Gilead des Evangelischen Krankenhauses Bielefeld.

Bei nur etwa drei bis fünf Prozent aller Schwangeren wird der Gestationsdiabetes, so der medizinische Fachbegriff, bislang diagnostiziert. Dass die tatsächlichen Zahlen deutlich höher liegen, zeigt eine Studie aus Schleswig Holstein. Dieses spezielle Problem der Schwangerschaft bekommen 14 Prozent der schwangeren Frauen. »Diese Zahl wird sicherlich auch in Bielefeld gelten«, so Andreas Luttkus. In Gilead wird die Diagnose Jahr für Jahr bei etwa 200 Frauen gestellt.
Dass ihm die Aufklärung über dieses Thema ganz besonders am Herzen liegt und er als Chefarzt der Frauenklinik Gilead einen Schwerpunkt in dem Kampf gegen die Krankheit sieht, hat ganz handfeste Gründe. Denn die Folgen für Mutter und Kind können gravierend sein, erklärt der Mediziner.
»Für die Mutter steigt das Risiko einer Harnwegsinfektion ebenso wie die Rate der Frühgeburten und die der operativen Entbindungen. Weil die Kinder bei der Geburt oft sehr groß sind, können sie mit dem Rumpf im Geburtskanal hängen bleiben - mit der Gefahr von Sauerstoffmangel und daraus resultierenden Hirnschäden.«
Auch wenn in der Schwangerschaft oder rund um die Geburt keine Probleme auftreten, können diese im Kindesalter auftreten. »Die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind an Übergewicht leiden wird, ist deutlich größer«, sagt Luttkus. Überhaupt ist das Körpergewicht ein Problem und Mit-Auslöser des Gestationsdiabetes zugleich: viele Frauen sind einfach zu dick. Schon vor der Schwangerschaft, und während dessen nehmen sie mehr zu als notwendig. Andreas Luttkus: »Bei kaum noch einer Frau stellen wir die schwangerschaftsbedingte Gewichtszunahme von zehn bis zwölf Kilogramm fest, fast immer liegt diese deutlich darüber.«
Damit erhöht sich das Risiko, einen Schwangerschaftsdiabetes zu entwickeln, erheblich. Weitere Risikofaktoren, die unbedingt zu weiterer Diagnostik in der Schwangerschaft führen sollten, sind neben Übergewicht Diabetes bei Eltern oder Geschwistern, eine Totgeburt oder ein fehlgebildetes Kind bei einer vorangegangenen Schwangerschaft oder ein Gestationsdiabetes beim ersten Kind.
Dass Schwangerschaftsdiabetes noch zu selten erkannt wird, liegt laut Luttkus am mangelnden Bewusstsein bei Frauen und Ärzten - wobei die Region Bielefeld nach seiner Einschätzung deutlich besser liege als der Bundesdurchschnitt. »Die Bielefelder Frauenärzteschaft ist hier besonders sensibilisiert.« Leider, so Luttkus, ist die Diagnostik dieser Krankheit kein Bestandteil der regulären Mutterschaftsuntersuchungen. Dabei sollte nach Luttkus Einschätzung im Optimalfall etwa in der 16., der 26. und 34. Schwangerschaftswoche ein so genannter Zuckerbelastungstest gemacht werden. »Die normale Harnuntersuchung reicht nicht aus«, erläutert der Chefarzt.
Auch wenn die Krankenkassen bislang die Kosten dafür nicht übernehmen, empfiehlt er Schwangeren - vor allem denen mit Risikofaktoren - diese Untersuchung durchführen zu lassen. Die Kosten dafür liegen pro Untersuchung etwa bei 25 Euro.

Artikel vom 03.07.2006