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Ein Euro rettet Kranke

Sozialgericht hilft Frau mit kreativem Urteil aus Not

Von Christian Althoff
Detmold (WB). Das Sozialgericht Detmold hat einer Frau einen Euro Arbeitslosengeld II zugesprochen - und ihr damit aus der Not geholfen.

Die Frau, die im Kreis Minden-Lübbecke wohnt, hatte Arbeitslosengeld II (Hartz IV) beantragt. Dies wurde ihr jedoch mit dem Hinweis verweigert, sie lebe in einer eheähnlichen Gemeinschaft, und müsse sich das Einkommen des Mannes anrechnen lassen. Die Frau bestritt eine solche Beziehung zu dem Mann und erklärte, man teile sich nur die Wohnung. Da diese Streitfrage nicht innerhalb weniger Tage zu klären war, geriet die Frau nach eigenen Angaben in eine bedrohliche Notlage: Sie war nicht krankenversichert, benötigte jedoch als Diabetikerin dringend neues Insulin.
In dieser Situation hatte sich die Frau ans Sozialgericht Detmold gewandt. Vizepräsident Uwe Wacker: »Die Frage, ob die Frau Anspruch auf Arbeitslosengeld II hat, konnten auch wir nicht auf die Schnelle klären.« Um der Diabetikerin trotzdem zu helfen, sprach die 4. Kammer ihr vorläufig einen Euro Arbeitslosengeld II zu - und damit hatte die Frau Anspruch auf Krankenversicherungsschutz.
Wacker: »Die Kammer hatte sich davon überzeugt, dass die Frau kein Geld mehr für Medikamente hatte. Da ihr Insulinvorrat zu Ende ging, war Eile geboten.« Mit der Bewilligung von einem Euro habe man der Frau geholfen, ohne in der Hauptsache eine Entscheidung vorwegzunehmen.
Gegen den Beschluss hatte die zuständige Kommune beim Landessozialgericht in Essen Beschwerde eingelegt. Sie erklärte sich zwar bereit, der Frau Krankenversicherungsschutz zu gewähren, wollte aber wegen des hohen Verwaltungsaufwandes nicht den einen Euro bezahlen. Da damit die medizinische Versorgung der Diabetikerin gesichert war, hob das Landessozialgericht den nunmehr überflüssigen Detmolder Beschluss auf.
Der Rechtsstreit ist bereits im vergangenen Jahr geführt worden, wurde aber erst jetzt bekannt. Uwe Wacker: »Inzwischen gewähren Kommunen in vergleichbaren Fällen den Krankenversicherungsschutz.« Az.: S 4AS/05ER

Artikel vom 29.06.2006