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Ein Mythos
trägt ganz
Frankreich

Zinédine Zidane will den WM-Titel

Frankfurt/Main (dpa). Der Mythos Zidane lebt weiter. In der magischen Nacht von Frankfurt hat Frankreichs Fußballikone Zinédine Zidane die Grande Nation in Entzücken versetzt und mit seiner glorreichen Gala die Ć’quipe Tricolore beim 1:0 (0:0) über den entthronten Titelverteidiger Brasilien ins WM-Halbfinale geführt.

Die märchenhafte Abschiedsgeschichte des Ausnahmekönners ist noch längst nicht zu Ende geschrieben. »Ich habe natürlich keine Lust, jetzt noch aus dem Turnier auszuscheiden. Es ist einfach zu schön und macht riesigen Spaß. Jetzt wollen wir auch Weltmeister werden«, sagte der schon zum Rentner abgestempelte 34-Jährige mit seinem strahlendsten Lächeln. Ein Großer der Zunft zollten Zidanes Wiederauferstehung höchstes Lob: »Er war der Zauberer des Spiels«, meinte Pelé über den rechtzeitig zu alter Genialität zurückgekehrten »Maître«, der bei der Entzauberung seiner Landsleute brasilianischer als die Brasilianer spielte.
Der Präsident des Französischen Fußballverbandes (FFF), Jean- Pierre Escalettes, stellte fest: »Es wäre einem so großen Spieler wie Zidane nicht gerecht geworden, hätte er nach der schwachen Vorrunde abtreten müssen. Ein großer Spieler braucht einen großen Abgang.« Auch Brasiliens Trainer Carlos Alberto Parreira zog den Hut vor dem scheinbar dem Jungbrunnen entsprungenen Oldie, der Brasiliens Supertechniker zum Narren hielt. Parreira: »Er ist eben ein außergewöhnlicher Spieler.«
Zidane dreht weiter am Rad seiner eigenen und Frankreichs Fußballgeschichte. Am liebsten möchte er noch einmal einen Moment wie an jenem 12. Juli 1998 erleben, als er die »Blauen« mit seinen beiden Kopfballtoren beim 3:0 über Brasilien zum bisher einzigen WM-Titel führte. »Zidane ist eben Zidane. Jeder Moment kann sein letzter sein. Aber er braucht darüber nicht nachzudenken«, schwärmte Trainer Raymond Domenech nach dem außergewöhnlichen Abend.
Der 54-Jährige bemühte sich aber, die Lobeshymne auf seinen zum »Mann des Spiels« gewählten Kapitän moderat zu halten. »Andere mag seine Leistung überrascht haben, mich nicht. Er ist in der Lage, einer guten Mannschaft seinen Stempel aufzudrücken. Es war nicht das Spiel von Zidane und den anderen, sondern Zidane unter den anderen. Das ganze Team hat mit großer Entschlossenheit, Disziplin und Solidarität gespielt«, sagte Domenech.
Von Zidanes Geniestreichen profitierte vor allem der Torschütze Thierry Henry (57.), der für ein Novum sorgte: Im 60. gemeinsamen Länderspiel verwertete er erstmals ein Zuspiel von Zizou. »Es wurde auch höchste Zeit. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort«, sagte der 29-jährige Arsenal-Stürmer nach seinem dritten WM-Treffer erfreut.
Der nach der holprigen Vorrunde mit dem 0:0 gegen die Schweiz, dem 1:1 gegen Südkorea und dem 2:0 gegen Togo für den Fall des vorzeitigen Scheiterns schon zum Abschuss freigegebene Domenech hat jetzt die Vollendung des Gesamtkunstwerks im Auge: »Der Sieg über Brasilien war nur ein Halt auf einer langen Straße, die wir bis zum Ende gehen wollen. Unser Ziel bleibt das Finale.«
Als nächste Hürde wartet am Mittwoch in München Portugal. »So komisch es klingt, aber das wird ein weit schwererer Gegner. Wir müssen uns weiter steigern«, meinte der Coach. Seine Spieler sind guten Mutes: »Ich träume vom Finale, egal ob der Gegner Deutschland oder Italien heißt«, meinte Bayern Münchens Abwehrspieler Willy Sagnol.
Brasilien: Dida - Cafú (76. Cicinho), Lucio, Juan, Roberto Carlos - Kaká (79. Robinho), Gilberto Silva, Juninho (63. Adriano), Zé Roberto - Ronaldinho, Ronaldo
Frankreich: Barthez - Sagnol, Thuram, Gallas, Abidal - Vieira, Makelele - Ribéry (77. Govou), Zidane, Malouda (81. Wiltord) - Henry (86. Saha)
Schiedsrichter: Cantalejo (Spanien)
Zuschauer: 48 000 (ausverkauft)
Tor: 0:1 Henry (57.)

Artikel vom 03.07.2006