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Der Verdacht fährt mit

Die Frankreich-Rundfahrt startet im Schatten der Dopingaffäre

Straßburg (dpa). Über der 93. Tour de France, die morgen in Straßburg beginnt, schwebt ein Damoklesschwert. Die spanische Doping-Affäre hat die an sich spannende Frage, wer die Erbfolge des zurückgetretenen Seriensiegers Lance Armstrong antritt, in den Hintergrund gedrängt.
Auf nach Paris: Jan Ullrich will seine - vielleicht letzte - Chance auf den Sieg bei der Tour de France nutzen.Foto: Sören Voss
Die aussichtsreichsten Kandidaten Jan Ullrich, Ivan Basso oder Alexander Winokurow sollen zum Teil selber in den Doping-Fall verwickelt sein, wie die spanische Zeitung »El País« noch geheime Polizeiakten interpretierte. Unklar ist, ob die Tour das Ziel in Paris am 23. Juli nach 3657 Kilometern überhaupt mit weitgehend dem favorisierten Personal erreicht, das morgen startet.
Die Tour-Direktion hat unmissverständlich klar gemacht, auch während des Rennens Fahrer nach Hause zu schicken, wenn klare Doping-Beweise gegen sie vorliegen. Die Namen der 58 verdächtigten Profis sollen in den nächsten Tagen offiziell genannt werden, schrieb »El País« am Donnerstag. Der Tour-Skandal von 1998 war im Vergleich zu den eventuell bevorstehenden Turbulenzen in den kommenden drei Wochen vielleicht nur ein mittelschweres Gewitter.
Jan Ullrich, der zum zweiten Mal nach 1997 das Gelbe Trikot in Paris tragen will, wurde erst am Dienstag nach Beratungen der Tour-Direktoren Grünes Licht für den Start erteilt. Das neue Team Winokurows, »Astana-Würth«, muss auf einen Entscheid des Internationalen Sportgerichtshofes CAS warten, ob die erfolgte Tour-Ausladung durch die Organisatoren korrekt war.
Trotzdem wird die Tour im Jahr eins nach Armstrong gestartet werden. Zum Prolog am Samstag über 7,1 Kilometer durch die Innenstadt Straßburgs wird dann auch David Millar als heißer Kandidat auf das erste Gelbe Trikot von der Startrampe rollen. Die zweijährige Doping-Sperre gegen den Schotten wegen eingestandenen EPO-Gebrauchs war erst am 23. Juni abgelaufen.
Ullrich, der nach schwierigem Saisonbeginn rechtzeitig in Form gekommen zu sein scheint, will schon am Samstag »voll auf Angriff« fahren. Nach seiner Ankunft und einer erneuten Beteuerung seiner Unschuld will er sich jetzt »nur noch auf die Tour« konzentrieren«. Das sei er seinem Team und den Fans schuldig. Er wirkte - kein Wunder - sehr angespannt.
Für ihn und Basso, der nach seinem eindrucksvollen Sieg beim Giro d'Italia das Double anpeilt, das zuletzt der inzwischen verstorbene Marco Pantani 1998 bewerkstelligte, wird es erst auf der 7. Etappe beim ersten Zeitfahren über 52 Kilometer in Rennes richtig ernst.
Der nächste Fixpunkt der Tour wird die erste Bergetappe nach Pau am 12. Juli sein. Die erste von nur drei Bergankünften folgt am nächsten Tag auf dem 1860 Meter hohen Pla-de-Beret in den Pyrenäen.
Das Team Gerolsteiner hat mit dem früheren Armstrong-Helfer Levi Leipheimer (USA) einen heißen Kandidaten zumindest für das Podium. Rückkehrer Zabel, der am 7. Juli 36 wird, schielt bei seiner 12. Tour auf sein siebentes Grünes Trikot. Aber Weltmeister Tom Boonen (Belgien) scheint unbezwingbar, wenn er bis Paris durchhält.

Artikel vom 30.06.2006