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Blochin kontert Kritiker

Der General will die Ukraine ins Halbfinale führen

Von Klaus Lükewille
Hamburg (WB). Oleg Blochin (53), der harte Hund, er hatte feuchte Augen. Soeben war seine Mannschaft nach dem Elfmeterschießen gegen die Schweiz ins Viertelfinale eingezogen - und der ukrainische Trainer musste sich erst einmal ein paar Tränen wegwischen.

Dann, nur ein paar Minuten später, präsentierte sich wieder der alte Blochin, der strenge Bank-General. »Die meisten hatten uns bereits nach dem 0:4 gegen Spanien abgeschrieben, wir wurden als Versager abgestempelt«, wetterte Blochin und attackierte die Kritiker: »Schreibt doch, was ihr wollt. Das interessiert mich nicht.«
Der ehemalige Weltklasse-Stürmer steht mit seiner Mannschaft im Viertelfinale, trifft heute um 21 Uhr in Hamburg auf Italien und ist mächtig stolz: »Ein Erfolg, von dem wir geträumt haben. Wir sind WM-Neuling und dürfen in der Runde der großen Acht mitmischen. Das ist fantastisch.« Dass die Ukraine bisher nicht unbedingt überzeugte, stört Blochin wenig: »Man wirft uns vor, wir würden konservativ spielen. Von mir aus. Ich nenne unseren Stil Ergebnis-Fußball. Und die Ergebnisse stimmen. Was wollt ihr mehr?« Basta.
Er kann ganz schön austeilen, dieser Coach, der nach seiner Kicker-Karriere bei Dynamo Kiew und 101 Länderspielen in den Westen durfte. Zuerst Österreich, dann zwölf Jahre Griechenland. Inzwischen ist er längst wieder zu Hause und betreut seit September 2003 die Nationalelf, buchte mit ihr als erste Nation in der Qualifikation das begehrte WM-Ticket. Und diese Reise durch deutsche Stadien, die darf ruhig noch weitergehen. Blochin hat zwar großen Respekt vor Italien, aber keine Angst: »Ich weiß, es wird schwer, gegen diese starke Abwehr ein Tor zu erzielen. Ich bin trotzdem zuversichtlich.«
Halbfinale? Warum nicht. Als Spieler ist er bei einer WM noch nie so weit nach oben gestürmt. Und das soll auch der Grund gewesen sein, weshalb er nach den etwas bequemeren Jahren im sonnigen Griechenland in die kalte Heimat zurückkehrte und den schweren Job in der Ukraine antrat: »Warum werden Spieler später Trainer? Weil sie dann mit Mannschaften Erfolge erreichen wollen, die sie auf dem Rasen selbst nicht geschafft haben.«
Wobei nicht sicher ist, wie Blochin das jetzt gemeint hat: ehrlich - oder ironisch? Dieser Mann, er kann auch ein Zyniker sein, der Kritiker nur zu gern auflaufen lässt. Denn der Spieler Blochin hat viel erreicht, sehr viel sogar. Er war die Kicker-Ikone der untergegangenen Sowjetunion, sammelte mit Kiew Titel und Pokale, wurde 1975 sogar »Europas Fußballer des Jahres«. Triumphe von gestern. »Ganz schön«, sagt er, »aber vorbei«. Typisch Blochin. Der General lebt nur in der Gegenwart. Und hofft, dass sein Team nach dem Italien-Duell noch eine WM-Zukunft hat.

Artikel vom 30.06.2006