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Erst Waldmeister, dann Weltmeister

Verhaltenstipp für nervöse Fans: Spaziergang vor dem Fernsehereignis

Von Dietmar Kemper
Paderborn (WB). Aufgeregte Fußball-Fans sollten in den Wald gehen. Der Anblick von Bäumen senke die Anspannung vor dem WM-Viertelfinale gegen Argentinien, betont der Paderborner Förster und Anhänger der deutschen Nationalmannschaft, Jan Preller. »Der Wald in seiner unendlichen Weite kann während der Spiele viel Ruhe spenden«, erläutert er.

Wer regelmäßig die Devise »Bäume statt Ballack« beherzige, komme beruhigter durch das vierwöchige Turnier. Allein schon durch die Bewegung verliere der Körper Anspannung, erläutert Preller. »Die Idee ist gut«, bestätigt Marion Sulprizio vom Psychologischen Institut der Sporthochschule in Köln und mahnt: »Alkohol zu trinken und Chips in sich hinein zu stopfen, sind keine Lösung bei Nervosität.«
Nordrhein-Westfalen ist das bevölkerungsreichste Bundesland, seine Fläche besteht zu 26 Prozent aus Wald. Da bietet sich den Anhängern des runden Leders genügend Raum für Spaziergänge. »Deutschland ist Waldmeister«, betont in diesen Tagen doppeldeutig die Holzwirtschaft und verweist auf mehr als drei Milliarden Kubikmeter Holzvorräte.
Egal ob fußballinteressiert oder nicht: Für nervöse Menschen sei die Natur wie ein »Therapeutikum«, schwärmt der Leiter der Forschungsgruppe Wandern an der Universität Marburg, Rainer Brämer. Ihm zufolge senken schöne Landschaftsbilder Puls und Blutdruck, mindern Muskelspannung und Hautleitfähigkeit, entlasten von negativen Emotionen, verstärken freundliche Gefühle und verlangsamen Hirnwellen. »Wandern mindert Depressionen, spontane Aggressivität, Verspannungen und Ängste«, sagt Brämer.
34 Millionen Deutsche wandern regelmäßig. Wenn sie klug sind auch während der Weltmeisterschaft. Eine Runde um den Häuserblock reicht aber nicht aus, denn Wald muss es schon sein. »Während Stadtszenen eher negative Emotionen fördern, lassen schöne Landschaftseindrücke die Stimmung steigen, und im Gehirn verstärken sich Entspannung signalisierende Alpha-Wellen«, hat Brämer herausgefunden.
»Frische Luft, grüne Farbe und Vogelgezwitscher können stressregulierend wirken«, weiß auch die Diplom-Psychologin Marion Sulprizio (40). Sie empfiehlt Fußball-Fans, die mit ihrem Land oder Verein besonders mitfiebern, Entspannungstechniken wie Yoga, Autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation oder Phantasiereisen zu erlernen. Die Anspannung beim Fußballgucken sei nicht zu unterschätzen. Sulprizio: »Sportler können sich abreagieren, der Trainer und die Zuschauer nicht. Deshalb sollten sie einem hohen Erregungsniveau nicht hilflos ausgesetzt sein.«

Artikel vom 29.06.2006