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BKK-Sprecher Wolfang Diembeck.

Gesundheitsreform im Koma

Union blockt Ministerium ab - Kassen stehen vor Milliardendefizit

Berlin (dpa/WB/kol). Die Union hat die vom Gesundheitsministerium ins Gespräch gebrachte Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen abgelehnt. Damit ist auch weiterhin unklar, wie Union und SPD das erwartete Defizit der Kassen von bis zu sieben Milliarden Euro 2007 schließen wollen.

»Wir haben klar gemacht, dass die Beitragsbemessungsgrenze für uns kein Thema ist«, sagte der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer. »Das steht für uns nicht zur Debatte.«
Nach einem Bericht der »Süddeutschen Zeitung« sind in der Koalition neben einer Anhebung der Bemessungsgrenze, bis zu der prozentuale Beiträge fällig sind, mehrere Varianten gegen das drohende Finanzloch 2007 im Gespräch: ein Anstieg der Kassenbeiträge, eine Erhöhung des Sonderbeitrags von derzeit 0,9 Prozent, den die Kassen-Mitglieder seit Juli 2005 zahlen müssen oder eine Abschlagszahlung der Privaten Krankenversicherer in Höhe von mehreren Milliarden Euro.
Laut Ramsauer dringt die SPD auf rasche Steuererhöhungen zu Gunsten des Gesundheitswesens. Nach dem Willen der SPD sollten schon zum 1. Juli 2007 die Steuern erhöht werden, sagte Ramsauer. Er lehnte dies ab. Die Eckpunkte, die die Koalitionsspitzen am Sonntag beschließen wollen, seien lediglich »große klotzige Ecken«, sagte Ramsauer.
Zugleich erwägt die große Koalition Ramsauer zufolge Einschnitte im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen und einen Ausbau der privaten Gesundheitsvorsorge. Die Spitzen von Union und SPD hätten die Experten der Koalition beauftragt zu prüfen, ob einzelne Ausgabenblöcke aus der gesetzlichen Krankenversicherung heraus genommen werden könnten. Für diese Bereiche müsse dann eine Pflicht zur privaten Absicherung eingeführt werden - etwa für Unfälle bei Risikosportarten.
Den gesetzlich Krankenversicherten drohen nach Angaben der AOK wegen des erwarteten Defizits der Krankenkassen im nächsten Jahr deutlich höhere Beiträge. Das Defizit liege bei sechs bis acht Milliarden Euro, was einer Erhöhung der Beiträge bei den gesetzlichen Krankenkassen von 0,6 bis 0,8 Prozentpunkten entspreche.
Im Gesundheitsministerium gibt es einer Sprecherin zufolge Überlegungen, für Krankenkassen eine Mindestgröße von Versicherten einzuführen. Diese könnte bei bis zu einer Million Versicherten liegen. Die Zahl der Krankenkassen würde damit von derzeit 254 auf 110 bis 120 sinken. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte zuvor 30 bis 50 Krankenkassen als ausreichend bezeichnet.
Die Einführung einer Mindestgröße würde auch den Bestand der zehn ostwestfälischen Betriebskrankenkassen (250 000 Mitglieder und 110 000 mitversicherte Angehörige) gefährden. »Das besorgt uns«, sagte Wolfgang Diembeck, Sprecher der BKK-Arbeitsgemeinschaft OWL, dieser Zeitung. Diembeck zufolge würden große Kassen eher noch höhere Verwaltungskosten verursachen. Während die Betriebskrankenkassen in Ostwestfalen lediglich 90 Euro pro Jahr und Mitglied an Verwaltungskosten auswiesen, seien die bei DAK und Barmer fast doppelt so hoch. Eine Zwangsfusion von kleinen Kassen sei deshalb »der vollkommen falsche Weg«, sagte Diembeck.

Artikel vom 28.06.2006