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»Wir müssen absolut
hochtourig laufen«

Interview mit Assistenz-Bundestrainer Joachim Löw

Berlin (WB/fwk). Joachim Löw (46) arbeitet Seite an Seite mit Jürgen Klinsmann seit zwei Jahren am WM-Erfolg. Die Hürde, die es nun aus dem Weg zu räumen gilt, ist hoch. Vor dem Viertelfinale gegen Argentien sprach der Assistenz-Bundestrainer mit dem WESTFALEN-BLATT.

Warum besiegt die deutsche Elf morgen Argentinien? Joachim Löw: Die Argentinier haben viele Stärken und fast keine Schwächen. Unsere Mannschaft ist aber hochmotiviert und selbstbewusst. Wir haben zuletzt auch zwei gute Spiele gegen sie gezeigt. Das zusammen gibt uns die Überzeugung, dass wir es dieses Mal schaffen können.

Beide Male hieß es 2:2, Deutschland führte vier Mal und war knapp dran. Welche Erkenntnisse können Sie nutzen?Löw: Beide Spiele haben gezeigt, dass man über 90 Minuten keinen Fehler begehen darf. Wenn die Argentinier in Rückstand geraten, können sie noch mal unglaublich anziehen und den Druck erhöhen. Sie können uns weh tun. Es ist wichtig, dass wir unsere taktischen Vorgaben mit aller Konsequenz durchziehen.

Auf welche Weise ist ihnen beizukommen?Löw: Wir müssen sie stören wie ein Bienenschwarm und ihnen ständig auf die Nerven gehen. Wir müssen ihnen die Lust am Fußballspielen nehmen.

Ist Argentinien die stärkste Mannschaft dieser WM, auch im Vergleich mit Brasilien?Löw: Argentinien spielt schneller als die Brasilianer. Die haben manchmal 30, 40 Ballkontakte hintereinander, ohne sich zu bewegen. Die Argentinier bewegen sich dagegen viel und können unheimlich schnell umschalten. Die lösen sich mit drei, vier Staffetten. Das beherrschen sie besser als jeder andere.

Es gibt die kleine Pannenstatistik, seit sechs Jahren keinen Großen mehr geschlagen zu haben...Löw: Ich muss ehrlich sagen, dass wir uns damit nicht beschäftigt haben. Die Mannschaft ist sicherlich in der Lage, Argentinien zu schlagen. Allerdings ist uns auch klar, dass es sehr schwer wird morgen, wenn drei oder vier Spieler ihre gute Form nicht erreichen. Wir benötigen eine enorm gute Tagesverfassung, wir müssen absolut hochtourig laufen.

Stimmt der Satz: Wer Argentinien schlägt, wird Weltmeister? Löw: Na klar, das ist so ein Viertelfinale, von dem man sagt, wenn man da durchkommt, steigen die Chancen. Aber wer Weltmeister werden will, muss zwei weitere Spiele gewinnen. Wichtig ist, nicht nachzulassen. Denn die Spiele werden immer schwieriger.

Bundestrainer Jürgen Klinsmann hat gesagt, es wäre eine »Katastrophe«, wenn die deutsche Elf im Viertelfinale ausscheidet. Sehen Sie das auch so?Löw: Das ist ein Ansporn für die Mannschaft. Aber wir sind uns schon darüber im Klaren, wenn man gegen Argentinien ausscheidet nach einem guten Spiel, dann ist es eben so. Da muss nur eine geniale Aktion eines Spielers kommen oder irgendein Pfiff des Schiedsrichters - doch deswegen macht man von so einer Situation nicht seine ganze Arbeit abhängig. Jetzt zu überlegen, was passiert, wenn wir ausscheiden, brächte auch nur negative Energie.

Artikel vom 29.06.2006