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»Jungs, es ist mir egal, wer schießt«

Der ukrainische Trainer Oleg Blochin flüchtet in die Kabine

Von Klaus Lükewille
Köln (WB). Die Angst des Trainers vor dem Elfmeter - auch die gibt es bei dieser WM. Als die Entscheidung vom Punkt anstand, wollte Oleg Blochin nicht zuschauen.

»Ich konnte nicht mehr - die 120 Minuten hatten mir gereicht. Ich habe gesagt: Jungs, macht das unter euch aus. Mir ist völlig egal, wer schießt.« Als der ukrainische Trainer ein paar Minuten später wieder aus der Kabine kam, lagen sich seine Spieler in den Armen: Sie hatten das Elfmeterschießen 3:0 gegen die Schweiz gewonnen.
Der WM-Neuling steht im Viertelfinale am Freitag (21 Uhr) gegen Italien. »Elfmeterschießen ist wie russisches Roulette«, stellte Blochin später fest. In Köln hatte seine Mannschaft die richtigen Kugeln im Lauf: Artem Milewski, Sergej Rebrov und Oleg Gussev trafen. Da war es nicht schlimm, dass Andrej Schewtschenko am Schweizer Schlussmann Pascal Zuberbühler scheiterte. »Ich danke meinen Kollegen - sie haben meinen Fehler wieder gutgemacht«, sagte der Stürmerstar und atmete erleichtert auf.
Der Dank galt vor allem der Nummer 1. Denn Aleksandar Schowkowski meisterte die Strafstöße von Markus Streller und Ricardo Cabanas; Tranquillo Barnettas Schuss klatschte an die Latte. Der Held des Abends gestand: »Ich mache mir bei Elfmetern überhaupt keinen Kopf. Ich überlege nicht viel, stelle mich einfach in den Kasten und versuche, die Dinger zu halten.«
Blochin wusste, dass er sich auf Schiwkowski verlassen konnte: »Der Junge hat gute Nerven.« Die Schweizer nicht. Drei Versuche, kein Treffer. Die Kicker aus dem Lande Wilhelm Tells zielten nicht gut genug. Trainer Jakob Kuhn saß minutenlang allein auf der Bank und trauerte den verpassten Chancen nach: »Wir haben es versäumt, vorher das Tor zu machen. Dann hätten wir uns dieses unsägliche Elfmeterschießen ersparen können.«
Allerdings war schon früh erkennbar, dass hier nur aus elf Metern ein Sieger ermittelt werden würde. In Spielen wie diesem langweiligen Angsthasenkick sollte spätestens nach einer halben Stunde die Strafstoßentscheidung angesetzt werden.
Sieger Blochin sah das natürlich anders: »Es war ein gutes Spiel, beide Mannschaften hätten den Einzug ins Viertelfinale verdient gehabt.« Doch die Zuschauer hatten das richtige Gespür: Sie pfiffen und riefen in der Schlussphase immer lauter: »Ihr könnt nach Hause fahren.« Beide.
Aber nur die Schweizer müssen die Koffer packen. Zuberbühler war besonders traurig: »Ich habe bei diesem Turnier kein Tor kassiert, aber wir sind trotzdem draußen.« Ja, so kommt's, wenn man in den K.o.-Partien zu wenig riskiert. Kuhn weiß, dass er da einen taktischen Fehler gemacht hat.
Aber die große Richtung der Schweizer stimmt. Der Trainer blickte nach vorn: »Klar, wir sind enttäuscht. Aber wir werden das Positive mitnehmen.« Seine verjüngte Mannschaft zahlte bei der EM 2004 noch Lehrgeld, jetzt überstand sie die Vorrunde. 2008 will sie reif für einen noch größeren Wurf sein: Dann haben die Eidgenossen ihr EM-Heimspiel.

Artikel vom 28.06.2006