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Beckham will
der Held der
Stunde bleiben

Die »7« heißt nur selten »Becks«

Von Elmar Neumann
Gelsenkirchen (WB). David Robert Joseph Beckham lautet sein vollständiger Name, »Becks« der offizielle Spitzname. Aber damit ist es natürlich längst nicht getan. Als was hat sich die berühmteste »Nummer 7« der Welt in ihrer zehnjährigen Laufbahn in Diensten der englischen Nationalmannschaft nicht schon alles betiteln lassen müssen.

Am 2. Mai 1975 erblickte er im Ost-Londoner Stadtteil Leytonstone das Licht der Welt. Am 30. Juni 1998 wurde es für Ballartist Beckham nach seinem steilen Aufstieg in die Stammelf des Manchester United FC erstmals beängstigend dunkel. WM-Achtelfinale in Saint Etienne: Der damals 23-Jährige lässt sich zu einem Revanchefoul gegen den Argentinier Simeone hinreißen, sieht Rot und heißt nach dem in Unterzahl unvermeidlichen Aus der »Three Lions« nicht mehr nur »Becks«. Von »Stupid Spice« bis zum »weinerlichen Schönling« - die Boulevardblätter tun sich bei der Namensfindung leicht und hätten ihrem Sündenbock nur allzu gerne die Einreise verweigert. »No one wants you back«, titelt die »Sun« und platziert das Gesicht des ersten Popstars im Weltfußball in der Mitte einer Dartscheibe.
Sechs Jahre später, am 24. Juni 2004, fliegen die Verbalpfeile wieder in ihre bevorzugte Richtung, muss sich der bestbezahlte Kicker des Erdballs (Jahreseinkommen: etwa 23 Millionen Euro) eine fruchtige Verunglimpfung gefallen lassen: Vom »Bananen-Beckham« ist zu lesen, nachdem sich der Spezialist für Standardsituationen im EM-Viertelfinale gegen Gastgeber Portugal einen folgenschweren Ausrutscher geleistet hat. Sein Elfmeter fliegt weit über das Tor, England mit einem 5:6 mal wieder aus dem Wettbewerb, weil neben dem wenig standfesten Kapitän auch Darius Vassell nicht trifft.
Endstation Viertelfinale - das könnte dem omnipotenten Vater von Brooklyn (7), Romeo (3) und Cruz (1) auch an diesem Samstag drohen. Auch in Gelsenkirchen heißt der Gegner Portugal, auch am 1. Juli 2006 steht die Nummer 7 im englischen Trikot unter besonderer Beobachtung. Erneut ist der Grat ein ganz schmaler. Schon vor dem WM-Anpfiff forderte Englands Ex-Kapitän Terry Butcher die Ablösung dieses außergewöhnlichsten seiner Nachfolger: »Wenn es nur nach Leistung geht, dürfte David Beckham nicht spielen.« Mit dieser Meinung steht der BBC-Experte nicht allein, doch hat er den Nationaltrainer Sven-Göran Eriksson nicht auf seiner Seite. Im Gegenteil: Der Schwede steht auf seinen prominentesten Schützling und denkt natürlich auch vor dem Wiedersehen mit den Portugiesen nicht daran, ihn aus der Startformation zu befördern.
So ist Beckham wieder einmal der Hoffnungsträger eines ganzen Landes. Erst recht nach seinen im bisherigen WM-Verlauf unter Beweis gestellten Scorer-Qualitäten. Bei vier der sechs britischen Buden brachte der 31-Jährige seinen extrem talentierten rechten Fuß ins Spiel. Drei Vorlagen folgte der fabelhafte Freistoß zum 1:0 gegen Ecuador. »Mit diesem Tor habe ich meine wenigen Kritiker zum Schweigen gebracht«, sagt »Becks« und bekommt bedeutende Unterstützung von Teamkollege John Terry: »Beckham ist fantastisch«, lässt Chelseas Kapitän und damit genau der Mann verlauten, in dem die englischen Fans den würdigeren Spielführer des Titelträgers von 1966 sehen.
Noch aber trägt nicht Arbeiter Terry, sondern der »reiche Schnösel« (O-Ton Wayne Rooney) Beckham die Binde. Noch ist in diesem Turnier für England nichts verloren, noch wird die »7« nach einem Treffer wie gegen Ecuador als der »Held der Stunde« und »David Löwenherz« gefeiert. Doch diese Stunde kann schon mit einem Fehltritt oder einem weiteren Ausrutscher gegen Portugal ganz schnell wieder abgelaufen sein. Neue Titel für David Robert Joseph Beckham liegen sicherlich schon vor dem Anpfiff griffbereit.

So spielen sie
England: 1 Robinson - 2 Neville, 5 Ferdinand, 6 Terry, 3 Ashley Cole - 7 Beckham, 16 Hargreaves, 8 Lampard, 4 Gerrard, 11 Joe Cole - 9 Rooney
Portugal: 1 Ricardo - 13 Miguel, 16 Ricardo Carvalho, 5 Fernando Meira, 14 Nuno Valente - 8 Petit - 18 Maniche, 7 Figo - 17 Cristiano Ronaldo, 9 Pauleta, 11 Simao
Schiedsrichter: Elizondo (Argentinien)
bisherige Duelle: 3 - 5 - 2

Artikel vom 01.07.2006