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Eis gab's nur als Zapfen
Warum die alten Chinesen vorm Eisessen auf Schnee warten mussten
Ein Sommer ohne Eis ist wie Schule ohne Ferien - unvorstellbar. Meint Ihr! Aber so viele Jahre gibt es nun wahrlich noch keine Gefriertruhen, aus denen man die kalte Schleckerei hervorzaubern kann. Und trotzdem haben die Chinesen schon vor 5000 Jahren gewusst, wie lecker so ein Eis ist. Sie mussten allerdings erst auf den Schnee warten.
Die weiße Pracht - manchmal von Sklaven aus dem Gebirge geholt und in kalten Kellern mit dicken Mauern sorgsam aufbewahrt -Ɗwurde mit zerkleinerten Früchten und Gewürzen verfeinert und dann als besondere Delikatesse auf den Tisch gebracht. Erst als der Seefahrer Marco Polo im 13. Jahrhundert um die halbe Welt segelte, brachte er auch die Rezepte mit nach Europa. Gehütet wurden sie wie Staatsgeheimnisse, denn Eis war etwas ganz Besonderes und nur etwas für reiche und adlige Leute.
Das erste Eiscafé wurde in Paris zwar schon 1672 eröffnet, aber es dauerte immer noch lange, bis es Eis an jeder Ecke gab. Der Italiener Italo Marchiony etwa schob 1896 einen Karren durch New York und verkaufte Zitroneneis auf Tellern, um sich als Einwanderer sein täglich Brot zu verdienen. Er ärgerte sich darüber, dass er dafür immer soviel Geschirr mitschleppen musste und bastelte einfach Papiertüten, in die er das Eis einfüllte. Später formte er Hörnchen aus warmem Teig - die Eiswaffel war geboren.
Das ist amtlich bestätigt, und deshalb stimmt die Geschichte wohl nicht, die sich die Amerikaner über die Erfindung der Eiswaffel erzählen. Schön ist sie trotzdem. Denn angeblich war Eisverkäufer Charles Menses 1904 sehr verliebt. Und als seine Angebetete nun eines sommertags an seinen Stand kam, hatte er tatsächlich keinen sauberen Teller mehr! Kurzerhand fragte er einen Kollegen, der nebenan gefüllte Waffeln verkaufte und füllte das Eis in den frisch gebackenen Teig, den er zu einem Hörnchen geformt hatte. Ob Charles das Herz der Frau erobert hat, ist nicht überliefert. Aber er soll bald die erste Eiswaffel-Firma gegründet haben.
Das Eis am Stiel hat 1923 aber tatsächlich ein Amerikaner erfunden - wenn auch nur aus Versehen. Denn es war plötzlich einfach da, im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht. Denn Frank Epperson war eigentlich Limonadenverkäufer und hatte ein halbvolles Glas, in dem ein Löffel steckte, abends draußen auf der Fensterbank vergessen. In der Nacht wurde es bitterkalt, unter Null Grad. Als Epperson am nächsten Morgen den Löffel aus dem Glas ziehen wollte, hielt er das erste Eis am Stiel in den Händen. Und weil er Geschäftsmann war, hat er sofort verstanden, was er da gerade entdeckt hatte. Fortan verdiente er sein Geld lieber mit gefrorener Limonade. Gute Idee! Wann gibt's bei Euch das nächste Eis? Margit Brand

Artikel vom 08.07.2006